Isländisches Gemüse: Gurken
Ich habe mich aktuell etwas intensiver mit Gurken beschäftigt, und zwar mit der Geschichte des Salatgurken-Anbaus auf Island und mit ihrer Verwendung in der isländischen Küche.
Wusstet Ihr z.B., dass die ersten Berichte über Gurken-Anbau auf Island erst aus dem Jahr 1890 stammen..? Und zwar vom damaligen Gesundheitsdirektor, dem dänischen Arzt Hans Schierbeck, dem es nach anfänglichen Misserfolgen gelang, in den Jahren 1887/88 immerhin ganze 5 Salatgurken zu ernten. In den Folgejahren setzte er seine Versuchen mit den Gurken allerdings nicht fort.
Heute wachsen Gurken auf Island in Gewächshäusern, mit Hilfe geothermaler Energie. Rund 99% der Salatgurken, die auf Island verkauft werden, stammen derzeit aus isländischem Anbau.
Agúrka - Gurke
Eine Gurke heißt auf Isländische gúrka oder agúrka. Der Name kommt vom griechischen Wort angoúrion (= Wassermelone).
In den slawischen Sprachen wurde aus
angoúrion dann
ogurk, im Deutschen fiel das "a/o" weg und es wurde spätestens im 16. Jahrhundert zu
gurke. Beide Varianten des Wortes existierten früher im Dänischen und gelangten von dort nach Island. Heute ist im Dänsichen "agurk" gebräuchlich, während es im Deutschen "Gurke" ist.
Auf Isländisch gibt es immer noch beide Versionen - sowohl águrka als auch gúrka ist üblich und richtig.
Gurkenanbau auf Island - auf den Spuren von Hans J. G. Schierbeck
Die
älteste bekannte Quelle über Gurkenanbau auf Island ist ein Artikel von
1890 in einem Journal der "
Hið íslenska bókmenntafélag". Die isländische literarische Gesellschaft wurde 1816 gegründet und publizierte hauptsächlich isländische wissenschaftliche Abhandlungen. Lange Zeit war übrigens
Jón Sigurðsson (1811 - 1879), Islands wichtigster Anführer im Kampf um die Unabhängigkeit im 19. Jahrhundert, Präsident der Gesellschaft und wurde (auch) deshalb oft "Jón forseti" (= Präsident Jón) genannt.
In dem Aufsatz von 1890 berichtete Hans J. G. Schierbeck (1847 - 1911) über seine Versuche einige Jahre zuvor, auf Island Gurken anzubauen. Der dänische Arzt war von 1883 bis 1894 für die dänische Regierung auf Island tätig, und zwar als Gesundheitsinspektor, d.h. als Oberster Arzt des Landes (landlkænir) und als Direktor der Medizinischen Fakultät, d.h. der damaligen Ärzteschule in Reykjavík, die von 1876 bis 1911 in Betrieb war. Schierbeck legte 1894 seine Ämter nieder und ging aus Island weg, später wurde er leitender Arzt in Nord-Seeland in Dänemark.
Auch wenn Schierbeck nur gut 10 Jahre auf der Insel wirkte, hat er auf Island zahlreiche Spuren hinterlassen:
So sorgte er als Gesundheitsinspektor für eine Reihe von positiven Entwicklungen im Gesundheitswesen, insbesondere im Bereich Hygiene, und arbeitete intensiv über Lepra, eine Krankheit, die auf Island ein nachhaltigere Herausforderung war als in den meisten anderen Ländern Europas. Besonders bekannt ist Schierbeck in Island aber für seinen Beitrag zum Gartenbau auf Island.
Die medizinische Fakultät, wo er arbeitete, war damals in dem Gebäude in der Aðalstræti untergebracht, in dem später die Heilarmee ihren Sitz hatte und danach eine Zeitlang ein Guesthouse betrieben wurde.
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Foto von 2013 |
Gegenüber an der Ecke Aðalstræti / Kirkjustræti befand sich schon damals ein kleiner Platz, der
fógetagarðurinn (= der Garten des Landvogts). Hier war wohl der älteste Friedhof von Reykjavík, die kleine Torfkirche wird in Kirchenberichten aus dem 12. Jahrhundert erwähnt, der erste Kirchenbau an dieser Stelle stammt aber möglicherweise bereits aus der Landnahmezeit. Die Kirche wurde 1796 endgültig abgerissen, der Friedhof war jedoch bis 1838 weiter in Betrieb.
Schierbeck baute 1883 sein Wohnhaus am nördlichen Ende dieses Platzes und erhielt von der Stadt die Erlaubnis, auf dem freien Platz mit dem Gärtnern zu beginnen. In der Folgezeit entstand hier ein berühmter Versuchsgarten mit verschiedenen Gartenkräutern, Gemüsepflanzen und Bäumen. Schierbeck war seit früher Jugend ein begeisterter Gärtner, er wurde auch der erste Vorsitzende der Hins íslenska garðyrkjufélag, der Isländischen Gartenbauvereinigung, die 1885 gegründet wurde, um die isländische Bevölkerung für den Anbau von Gemüse zu begeistern.
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Statue von Skúli Magnússon im Fógetagarðurinn |
Als Schierbeck 1894 Island verließ, erwarb
Halldór Danielsson (1855 - 1923), zu dieser Zeit der oberste Beamte der Stadt Reykjavík, zusammen mit seiner
Frau Anna María den Garten und sie führten den Versuchsgarten mit größter Sorgfalt und viel Engagement fort. Im Jahr
1904 ging der
Park dann in den
Besitz der Stadt Reykjavík über.
Auf dem Platz steht noch heute eine Schwedische Vogelbeere (silfurreynir), die Schierbeck hier 1884 gepflanzt haben soll, der Baum gilt als der älteste Baum Reykjavíks.
Übrigens wurde 1954 auf dem Platz eine Statue von
Skúli Magnússon (1711 - 1794) aufgestellt, dem früheren isländischen Landvogt, der maßgeblich am Aufstieg der Stadt Reykjavík beteiligt war und der zu seiner Zeit ebenfalls die
isländische Küche nachhaltig beeinflusst hat: So hat er
Obst- und Gemüsepflanzen nach Island gebracht, die man vorher hier noch nicht so kannte, z.B. Strauchobst wie
Johannisbeeren.
Gurkenanbau auf Island anno 1890
Hier in seinem Garten experimentierte Schierbeck in seiner Anfangszeit auf Island auch mit dem Anbau von Gurken. So berichtet er als Vorsitzender der isländischen Gartenbaugesellschaft in seinem Aufsatz über etliche seiner Versuche, auf Island Pflanzen anzubauen, die "dem Land von Nutzen zu sein scheinen". Dabei wollte die Gartenbaugesellschaft auch versuchen, arme Bauern unterstützen, Pflanzen auf Feldern in der Nähe von heißen Quellen anzubauen, die es auf Island schließlich "im Überfluss" gebe, so Schierbeck, aber es gelang nicht, hierfür finanzielle Unterstützung vom Parlament zu bekommen.
Er selbst versuchte in seinem Versuchsgarten, die Pflanzen mit Hilfe einer Düngegrube einigermaßen warm zu halten, war jedoch nicht sehr glücklich mit dem isländischen Wetter, bei dem es bis weit in den Frühling hinein immer wieder Kälteeinbrüche und strenge Nachtfröste gibt, die eine Gefahr für Jungpflanzen darstellen, außerdem fand es, auf Island wechseln gute und schlechte Sommer und die schlechten Sommer hemmten das Wachstum seiner Pflanzen und Sträucher nachhaltig, auch wenn sie sich meist irgendwann wieder erholten.
Neben den Schwierigkeiten mit dem Wetter beklagte Schierbeck auch die mangelnden Transportmöglichkeiten und die Schwierigkeiten, überhaupt Saatgut zu beschaffen, wobei Schierbeck vor allem norwegisches Saatgut empfahl. Und in schlechten Sommern standen die Gärten dann schnell wieder leer, klagte er. Trotzdem war er überzeugt, dann nachhaltige Gemüseanbau unter fachkundiger Anleitung selbst auf Island möglich sei, insbesondere von Blumenkohl, Kohlrabi und Karotten, aber auch von Weißkohl und Wirsing und von Beerenobst wie Johannisbeeren oder Himbeeren.
Den größte Feind des Gartenbaus auf Island sah Schierbeck allerdings nicht im Wetter, sondern in den Schafen, die vor allem im Frühjahr und im Herbst überall einfielen und radikal alles auffraßen, was sie erreichen konnten. Er empfahl als einziges Mittel, das helfe, nachts Wachhunde einzusetzen, um die Schafe vom Gemüse fernzuhalten.
Schierbecks ersten Versuche mit Gurken, die er unter Glas heranzog, um sie dann ins Freiland auszusetzen, verliefen seinem Bericht nach bescheiden. In den Jahren 1887 und 1888 gelang ihm der Gurkenanbau deutlich besser als in den Vorjahren, so konnte er tatsächlich 5 Salatgurken ernten. Überzeugt hat ihn das aber offenbar nicht, in den Folgejahren versuchte er dann gar nicht mehr, im isländischen Klima Gurken anzubauen.
Insgesamt liest sich sein Bericht recht frustrierend, vieles wuchs gar nicht, wurde nur wenige Zentimeter groß und überlebte den nächsten Winter nicht. Anderes wuchs in warmen Sommern relativ gut, wie z.B. Knoblauch, ging aber in den schlechten Wintern dann wieder komplett ein. Mit den Ergebnissen von verschiedenen Rüben-Arten und auch mit den Kartoffeln war Schierbeck allerdings relativ zufrieden. Oder er beklagte sich, dass Meerrettich auf Island überraschend gut wuchs - aber die Einheimischen wollten es einfach nicht in der Küche verwenden. Die meisten Blumen, die er anzupflanzen versuchte, überlebten die isländischen Winter nicht.
Heute - Gurkenanbau im Gewächshaus
Schon Schierbeck empfahl 1890, Gewächshäuser in der Umgebung von heißen Quellen zu errichten, um hier mit Erdwärme bessere Ergebnisse zu erzielen.
Das erste Gewächshaus auf Island wurde allerdings erst 1896 errichtet, von einem Kaufmann aus Sauðárkrókur, der hier Zierpflanzen und Gemüse anbaute. 1924 wurden dann drei weitere Gewächshäuser erbaut, die teilweise mit natürlichem Heißwasser beheizt wurden. Die ersten Berichte über den großflächige Anbau von Tomaten im Gewächshaus auf Island stammt von 1925, aber auch der Anbau klassischer Salatgurken auf Island begann 1925.
Die Hauptprodukte, die heute in den geothermal betriebenen Gewächshäusern auf Island angebaut werden, sind vor allem Tomaten, Gurken, Paprika und Salat.
Etwa 99% der heute auf Island verkauften Gurken stammen aus isländischem Anbau. Auf Island werden derzeit mach Angaben des Statischen Landesamts knapp 2.000 Tonnen Gurken jährlich erzeugt.
Gurken in der isländischen Küche
Gurken sind gesund und kalorienarm. Sie bestehen zu rund 95% aus Wasser, enthalten auch auch viel Vitamin B, C und E, außerdem relativ viele Mineralstoffe wie Kalzium, Eisen, Magnesium und Kalium.
Gurken werden in der isländischen Küche meist frisch in Salaten verwendet, man kann sie aber auch in warmen oder kalten Suppen verwenden, füllen oder für leckere Getränke nutzen.
Salat in der isländischen Küche
Traditionell werden isländische Salate laut der matarbíblía okkar Íslendinga, also der "Essensbibel der Isländer", dem Kochbuch "Matur og Drykkur" (= "Speisen und Getränke") von Helga Siguðardóttir von 1946 zubereitet mit folgenden Zutaten:
Für Salate verwendet man Eier, Fleisch, Fisch, Rüben, Gemüse und, falls vorhanden, alle möglichen Obstsorten. (Ich finde es ja interessant, dass erst Eier, Fleisch und Fisch aufgezählt werden und dann erst das Gemüse kommt - und wieso werden eigentlich Rüben und Gemüse aufgezählt?)
Gemüse, Rüben und Obst werden dabei entweder roh oder gekocht benutzt. Dazu nimmt man noch "alle möglichen Saucen", oft vor allem Mayonnaise, und Gewürze.
Salate werden übrigens üblicherweise kalt gegessen.
Hier habe ich ein paar typisch-isländische Gurkenrezepte für Euch:
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Agúrkusúpa - Warme Gurkensuppe mit Blauschimmelkäse
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Köld agúrkusúpa - Kalte Gurkensuppe mit Zwiebel, Skyr, Sauerrahm und Dill
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Algjör gúrka - Krasse Gurke, Landgurke gefüllt mit Schellfisch, Skyr, Käse und Thymian