Isländische Weihnachtslöffel
In vielen isländischen Haushalten gibt es diese silbernen Weihnachtslöffel ("jólaskeið").
Seit 1946 kann man jedes Jahr zu Weihnachten einen besonderen Weihnachtslöffel in limitierter Auflage kaufen.
Heute gibt es in vielen Haushalten Islands richtige Sammlungen von diesen Weihnachtslöffeln. Wir haben diese Weihnachtslöffel das erste Mal bei Sabrina von Bitesized Iceland kennen gelernt - und zwar die Weihnachtslöffel-Sammlung ihrer isländischen Schwiegermutter. Ihre Schwiegermutter hat fast jedes Jahr den Weihnachtslöffel gekauft hat und holt sie nach Möglichkeit zu Familienfesten an Weihnachten stolz immer wieder raus, damit möglichst jedes Familienmitglied mit dem jólaskeið seines Geburtsjahres sein Dessert löffeln kann.
Die Geschichte der isländischen Weihnachtslöffel
Die Tradition der isländischen Weihnachtslöffel geht zurück auf den Goldschmiedemeister Guðlaugur A. Magnússon, der 1946 den ersten silbernen Weihnachtslöffel entwarf und verkaufte.
Guðlaugur Ásberg Magnússon wurde am 16.12.1902 als Bauernsohn auf einem Hof in der Gemeinde Fellsstrandarhreppur in Dalabyggð im Westen Islands, in der Region Vesturland, geboren.
Guðlaugurs Liebe gehörte von klein auf den Musikinstrumenten.
Es heißt, seine Schwestern Hansína Magnúsdóttir (1895 - 1971), die mit einem Kaufmann in Ísafjörður verheiratet war, und Borghildur Magnúsdóttir (1894 - 1963), die mit einem dänischen Maschinisten verheiratet war und nach dessen Tod 1920 ein Restaurant in Ísafjörður betrieb, hätten sich entschlossen, den Bruder beim Studium der Musikinstrumente zu unterstützen - aber nur unter der Bedingung, dass er neben dem Instrument auch ein richtiges Handwerk erlernte. So absolvierte Guðlaugur in Ísafjörður bei Einar Oddur Kristjánsson die Lehre zum Goldschmied und bei Karl Ó. Runólfsson, der im Ausland Trompete, Geige und Komposition studiert hatte und Mitglied des isländischen Sinfonieorchesters war, lernte Guðlaugur Trompete. Nach Abschluss seiner Lehre ging Guðlaugur für ein Jahr nach Dänemark, um dort an der Königlich Dänischen Musikakademie bei Lauritz Sörensen weiter Trompete zu lernen.
In Island eröffnete Guðlaugur 1924 zunächst in Ísafjörður seine Feinschmiedewerkstatt. Später zog er mit dem Geschäft nach Hafnarfjörður und 1927 nach Reykjavík.
Neben seiner Tätigkeit als Goldschmied war Guðlaugur auch in Reykjavík weiter erfolgreich als Musiker aktiv, so spielte er u.a. in der Reykjavíker Blaskapelle Trompete und Flügelhorn. Später war er an der Gründung der Isländischen Musikerverbandes beteiligt, saß dort mehrere Jahre im Vorstand und spielte in zahlreichen Trompeten- und Symphonieorchestern sowie etlichen Tanz- und Jazzbands wie z.B. den Blue Boys.
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Blue Boys - isländische Jazzband (1935 - 1938) Quelle: glatkistan.com |
Wie Guðlaugur neben seiner Musik und seinem sozialen Engagement als Musiker trotzdem noch die Zeit fand, erfolgreich sein Juweliergeschäft zu führen, weiß ich nicht - aber er schaffte es. Verheiratet war er auch noch, und zwar heiratete er 1929 María Hermannsdóttir (04.09.1905 - 15.05.2001), die ursprünglich aus Ketilseyri im Dýrafjörður in den Westfjorden stammte, aber bereits im Alter von 9 Jahren mit einer Tante zu deren Sohn nach Reykjavík gezogen war, der mit seiner Familie in der Skólavörðustígur lebte.
Die Eheleute Guðlaugur und María hatten vier Kinder, den Sohn Reynir (geb. 1930), der beim Vater Goldschmied lernte und 1952 den väterlichen Betrieb ERNA ehf. übernahm, den Sohn Óttar (geb. 1931), der Kaufmann wurde, die Tochter Jónína (geb. 1933) und später noch den Sohn Magnús (geb. 1943), der ebenfalls Goldschmied wurde und 1963 mit gerade einmal 20 Jahren die frühere Werkstatt des Vaters in der Skólavörðustígur übernahm.
Insgesamt hat das Ehepaar wohl 18 Enkel. Zwei seiner Enkeltöchter führen übrigens heute die beiden Juweliergeschäfte, die auf das Unternehmen des Großvaters zurückgehen, ein Enkelsohn ist ein Musiker und hat mit Sängern wie Bubbi Morthens und Björk zusammen gearbeitet.
Der erste Weihnachtslöffel 1946
Seine Feinschmiedewerkstatt eröffnete Guðlaugur 1924 zunächst in Ísafjörður und verlegte es dann zuerst nach Hafnarfjörður und 1927 nach Reykjavík. Hier begann er wohl 1936 in seiner Werkstatt mit der Herstellung von Silbergeschirr und -besteck.
Eines der berühmtesten Stücke ist der traditionelle Silberlöffel, der seit 1946 jedes Jahr zu Weihnachten hergestellt und in limitierter Auflage verkauft wird. Die Löffel bestehen aus 925er Sterlingsilber, das Mundstück ist mit 24-karätigem Gold überzogen.
Der erste Weihnachtslöffel wurde 1946 hergestellt. Er wurde von dem Goldschmied Guðlaugur Magnússon in Zusammenarbeit mit dem Holzschnitzermeister Karl Guðmundsson entworfen und hergestellt. In der Folgezeit haben auch bekannte isländische Künstler an der Gestaltung der alljährlichen Weihnachtslöffel mitgewirkt.
Der Löffel von 1946 zeigt die Domkirche (Dómkirkjan) von Reykjavík.
Es heißt, Guðlaugurs Ehefrau María habe sich Sorgen gemacht, weil ihr Mann als Goldschmied und Unternehmer und Musiker ständig im Stress war und immer viel zu viel zu tun hatte. Er habe ihr daraufhin versprochen, mit 50 Jahren werde er beruflich kürzer treten - dieses Versprechen konnte er jedoch nicht mehr erfüllen: Guðlaugur A. Magnússon starb am 13.11.1952 kurz vor seinem 50. Geburtstag.
Heute gibt es zwei Sorten Weihnachtslöffel, die beide auf die Löffel-Tradition von Guðlaugur A. Magnússon zurückgehen:
Die Weihnachtslöffel von ERNA
Die Gold- und Silberschmiede ERNA ehf mit ihrem Geschäft in Reykjavík, Skipholt 3, wurde von Reynir Guðlaugsson, dem ältesten Sohn von Guðlaugur Magnússon, 1952 direkt nach dem Tod des Vaters übernommen und fortgeführt. Dahei bedeutet ehf (= "einkahlutafélag") so viel wie eine "Gesellschaft mit beschränkter Haftung", sozusagen eine GmbH. Reynis stand als Goldschmiedemeister der Firma von 1952 bis 2001 vor. Heute wird die Firma in dritter Generation von Reynirs Tochter, der Goldschmiedin und Designerin Ragnhildur Sif Reynisdóttir geführt, aber auch die vierte Generation in Gestalt des Urenkels Reynir Már Ásgeirsson arbeitet als Goldschmied im Familienunternehmen mit.
Seit 2015 ist Ragnhildur Sif für das Design der Weihnachtslöffel von ERNA verantwortlich.
Bei ERNA ist die Besonderheit, dass die Weihnachtslöffel immer 12 Jahre hintereinander ein bestimmtes Thema haben. Seit 2015 ist das Thema "Musik" - der erste Weihnachtslöffel zu dem Thema 2015 hatte eine Trompete als Motiv, sehr passend, wenn man die Leidenschaft von Guðlaugur Magnússon für dieses Instrument bedenkt. Auf der Rückseite der Löffel dieses Musik-Zyklus' befinden sich Noten. Während dieser 12 Jahre bleibt die sog. Löffelschale immer unverändert, der Löffelstiel wechselt jedoch von Jahr zu Jahr.
Nach der Trompete (2015) waren dann andere Instrumente an der Reihe, wie Geige, Tuba, Saxophon etc. Auf der Rückseite der Löffel befinden sich jeweils Noten.
Auch hier ist die Löffelschale mit 24-karätigem Gold überzogen, der Griff besteht aus 925er Silber.
Der aktuelle Weihnachtslöffel kostet derzeit im Geschäft 29.500 ISK, umgerechnet gut 200 Euro.
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Der Weihnachtslöffel von ERNA 2024 Quelle: erna.is |
Das Geschäft von GAM (Guðlaugur A. Magnússon) ist der Skólavörðustigur 10 in 101 Reykjavík. Nach dem Tod von Guðlaugur Magnússon 1952 wurde das Einzelunternehmen zunächst von seinem Schwager Hermann Hermansson weitergeführt, bevor der Betrieb 1963 vom jüngsten Sohn Magnús Haukur Guðlaugsson übernommen wurde. Seitdem war Magnús für die Herstellung der Weihnachtslöffel verantwortlich, 2005 übernahm seine Tochter Hanna Sígriður Magnúsdóttir.
Bei GAM haben sie sich angewöhnt, die gleiche Form des Löffelblatts beizubehalten, aber der Schaft kann von Jahr zu Jahr variieren.
Die Löffel bestehen hier zu 92,5% aus Sterlingsilber und zu 7,5% aus Kupfer, dabei dient das Kupfer der Härtung des Löffels. Das Löffelblatt ist mit Gold überzogen.
Auch hier gibt es Serien zu bestimmten Themen, wie z.B. biblische Themen, Kirchen oder nationale Andenken.
Der aktuelle Weihnachtslöffel kostet derzeit im GAM-Geschäft 26.900 ISK, umgerechnet knapp 190 Euro. Die Weihnachtslöffel der vergangenen Kollektionen sind etwas günstiger (von 24.900 ISK für das Vorjahr bis zu 18.900 ISK für die ältesten noch vorhandenen Löffel).
Auf dem Weihnachtslöffel 2024 von GAM hat Hanna Sigríður anlässlich des 80. Geburtstag der Republik Island ein Adler auf einem weißen Schild verwendet, in einem blauen Kreuz, das auf die isländische Nationalflagge verweisen soll. Rund um das Kreuz sind Blüten vom Weißen Silberwurz (holtasóley) angeordnet - bei einer Abstimmung 2004 wählten die Isländer diese Blume zur Nationalblume. Die Symbolle auf dem Löffel sollen den 80. Jahrestag der Republik Island würdigen.
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Quelle: gam.is |
Ich finde diese Weihnachtslöffel-Tradition auf jeden Fall sehr schön! Und ich gucke seitdem regelmäßig in Gebrauchtwarenläden, ob ich vielleicht mal ganz viel Glück habe und günstig einen solchen Weihnachtslöffel finde. Aber bei rund 200 Euro für einen neuen Silberlöffeln, auch wenn es ein besonderer Weihnachtslöffel ist mit Geschichte und Tradition, würde mein Mann mich doch für verrückt erklären - und das kann ich nachvollziehen.
Aber schön sind die Löffel schon!
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