Donnerstag, 2. März 2023

Verkfall og verkbann - Streiks und Aussperrungen

Der große Arbeitskampf ist erst einmal verschoben...

Seit rund 3 Wochen gab es hier auf Island Streiks, im Rahmen der laufenden Tarifverhandlungen der Gewerkschaft Efling mit dem Arbeitgeber-Verband SA. 

Seit gestern gibt es einen neuen Schlichtungsvorschlag - und die Arbeitskampfmaßnahmen sind seit gestern Mittag erst einmal ausgesetzt. 

Gewerkschaft Efling stéttarfélag 

Die Gewerkschaft Efling ist die zweitgrößte Gewerkschaft des Landes mit etwa 27.000 Mitgliedern im Großraum Reykjavík und in Südisland. In der Gewerkschaft sind Mitarbeiter im Hotel- und Gaststättengewerbe, von Pflegeheimen und häuslicher Pflege, Reinigungs- und Wachpersonal (jeweils im öffentlichen und im privaten Bereich) sowie Fabrikarbeiter, Hafenarbeiter und Mitarbeiter in der Fischerei. Zu den größten Arbeitgebern gehören die Stadt Reykjavík, die Gemeinde Kópavogur, das Universitätskrankenhaus Landspítali, die Reedereien und die Ölgesellschaften, aber auch zahlreiche Hotelketten.

Viele Mitarbeiter arbeiten im Niedriglohnsektor, rund 53% der Mitglieder sind Ausländer, die hier auf Island leben und arbeiten. Etwa 2/3 der Mitglieder sind jünger als 40 Jahre. Aktuell kommen 21% der Mitglieder aus Polen.

In den laufenden Tarifverhandlung ging es insbesondere um eine Lohnerhöhung für die unteren Gehaltsgruppen, die bei steigenden Lebenshaltungskosten faktisch immer weniger verdienen. "Sie können sich kaum noch etwas zu essen kaufen", erzählte uns ein isländischer Freund. 

Aktuell liegt die Inflationsrate hier auf Island bei 10,2%. 

Im Rahmen der Wirtschaftskrise 2008 war die Inflation hier zwischenzeitlich sogar bei 18% (Januar 2009), lag dann aber seit September 2009 wieder dauerhaft unter 10%. Seit Beginn der Corona-Pandemie steigt die Inflationsrate wieder, von 1% Anfang 2020. Seit Juli 2022 liegt der Index bei knapp 10%, zweimal bei 9,9% - und aktuell das erste Mal seit 13 Jahren wieder über 10%. 

Auswirkungen des Streiks - Engpässe bei Benzin und Hotelzimmern im Großraum Reykjavík

Der Streik der Efling-Mitarbeiter im Hotelgewerbe sowie bei den Tanklastwagen-Fahrern hatte deutlich spürbare Auswirkungen:

So streikten die Tanklastwagen-Fahrer ab dem 15. Februar, kurzzeitig wurde der Streik ausgesetzt, begann dann aber wieder am 20. Februar bis zum 01. März um 12 Uhr. Aktuell gibt es wohl noch an 7 Tankstellen kein Benzin mehr, zwischenzeitlich hatten über 40 Tankstellen gemeldet, dass sie gar keinen Kraftstoff mehr hatten oder vor allem die Dieselvorräte zur Neige gegangen waren. Einige Tankstellen waren für die Öffentlichkeit geschlossen, dort durften nur Personen mit Ausnahmegenehmigung (z.B. Polizei, Feuerwehr, ...) tanken. 

Wir hatten auch Bedenken, ob wir genug Kraftstoff bekommen, haben also alle "unnötigen" Fahrten gespart, Verabredungen nur noch unter Vorbehalt getroffen ("wenn es bis dahin noch Benzin gibt") und wirklich nach jeder Fahrt getankt, auch wenn das dann teilweise nur 3 bis 5 Liter waren - aber Hauptsache, der Tank war wieder voll!


Im Hotel-Gewerbe fielen während des dreiwöchigen Streiks rund 30% der Hotelzimmer im Hauptstadtgebiet weg. Auf der Notfall-Nummer meldeten sich rund 4.000 Touristen, die eine Ersatz-Unterkunft benötigten, nachdem ihr eigentlich gebuchtes Hotel vom Streik betroffen war. Zahlreiche Pauschalreisen wurden abgesagt, da die Unterkünfte fehlten und kein Ersatz beschafft werden konnte. 


Aussperrungen wurden ab 02.03. angekündigt 

Als Reaktion auf den Streik der Efling-Mitarbeiter hatte der Arbeitgeber-Verband SA Aussperrungen ab dem 02.03. angekündigt, davon wären rund 20.000 Beschäftigte betroffen gewesen. 

Auf Island arbeiten derzeit knapp 180.000 Menschen, d.h. die Aussperrungen hätten mehr als 10% aller Beschäftigten getroffen. (Nur zum Vergleich: In Deutschland sind rund 45,3 Mio. Menschen erwerbstätig, eine vergleichbare Maßnahme würde dort also rund 5 Mio. Arbeitnehmer betreffen.) 

Durch den laufenden Streikt und die angekündigten Aussperrungen wuchs der Druck auf beide Seiten. Der wirtschaftliche Schaden durch entgangene Einnahmen wegen des Arbeitskampfes wird bisher auf über eine Milliarde ISK beziffert, also mehr als 6,6 Mio. €. Und die Beschäftigten erhielten während des Streiks (und entsprechend auch während der angekündigten Aussperrungen) keinen Lohn, auch keine Lohnersatzleistungen von der Gewerkschaft. 

Jetzt läuft die Abstimmung über den Vermittlungsvorschlag

In dem Vermittlungsvorschlag des staatlichen Schlichters vom 01. März ist eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 11% rückwirkend ab November 2022 vorgesehen, auch Prämien und Sonderzahlungen sollen rückwirkend teilweise erhöht werden und bei bestimmten Berufsgruppen wird die Eingruppierung geändert, so dass gerade im unteren Bereich deutliche Gehaltssteigerungen erreicht werden sollten. 

Von Freitagmittag (03.03.) bis zum kommenden Mittwoch (08.03.) läuft die Abstimmung. Bis das Ergebnis vorliegt, sind alle Arbeitskampfmaßnahmen erst einmal ausgesetzt. 

Zum Wochenende wohl wieder normal

Es wird erwartet, dass sich die Kraftstoffversorgung im Hauptstadtgebiet bis zum Wochenende wieder normalisiert hat. Bei uns im Raum Selfoss stehen schon alle Tankstellen wieder auf "grün". 


Weiterhin Arbeitskampf am Flughafen - Überstundenverbot ab 03. März 2023

Aktuell laufen auch die Tarifverhandlungen zwischen der Félag flugmálastarfsmanna ríkisins (FFR), der Gewerkschaft für Angestellte der zivilen Luftfahrt, und der staatlichen Flugsicherung und dem Flughafen-Betreiber Isavia

Um ihren Forderungen im Tarifstreit Nachdruck zu verleihen, haben sich die Mitglieder der Gewerkschaft für ein Überstundenverbot am Flughafen ab 03. März ausgesprochen. Bei der Abstimmung am 24.02. stimmten rd. 77% der Gewerkschaftsmitglieder für die Arbeitskampfmaßnahme, rd. 11% waren dagegen, etwa 12% enthielten sich. 

Zu den FFR-Mitgliedern gehören u.a. Sicherheitspersonal, Elektroniker, Ingenieure, Inspektoren und Büroangestellter. 

Ein letztes Treffen am 01.03. zwischen Vertretern der Gewerkschaft und des Arbeitgebers verlief ohne Erfolg, morgen soll noch ein weiteres Treffen folgen - wenn auch das nicht erfolgreich ist, beginnt wie angekündigt am 03.03. um 16 Uhr das unbefristete Überstundenverbot. 

Für Such- und Rettungsflüge, Notfallpläne bei Unfällen oder Vulkanausbrüchen u.ä. wurden Ausnahmen von dem Überstundenverbot genehmigt. 

Inwieweit die Arbeitskampfmaßnahme zu Störungen im laufenden Flugbetrieb führen wird, ist derzeit noch unklar. 

Update vom 04. März 2023 - ebenfalls erstmal Entwarnung

Die Gewerkschaft FFR hat das angekündigte Überstundenverbot kurz vor Inkrafttreten am Freitag wieder aufgehoben. Bei dem gestrigen Treffen wurde von Arbeitgeber-Seite kurzfristig doch noch ein neues Angebot vorgelegt. Der Vertrag wäre unterzeichnet, so die Bekanntmachung der FFR. Gleich nach dem Wochenende soll der Vertrag vorgestellt werden und dann darüber abgestimmt. 




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