Birkenwasser
Im Grunde sind das hier vier Blog-Artikel in einem:
Ein Artikel über das Abzapfen von Birkenwasser im Selbstversuch, einer über Birkenwasser allgemein, ein Artikel über Birken auf Island und ein Artikel über Halldóra Bjarnadóttir, die u.a. seit 1917 "Hlín" herausgab, eine Zeitschrift von Frauen für Frauen, in der 1918 auch über die traditionelle Gewinnung und Nutzung von Birkenwasser berichtet wurde.
Birkenwasser
Im späten Frühling, wenn der Boden nicht mehr gefroren ist, der Baum aber noch nicht wirklich ausgeschlagen hat, kann man sein eigenes Birkenwasser zapfen: Dazu bohrt man ein Loch in den Stamm der Birke und lässt den Birkensaft dann durch einen Schlauch in einen geeigneten Auffangbehälter fließen. Je nach Größe des Lochs muss man es anschließend mit einem Pfropfen verschließen, bei kleinen Löchern ist das nicht nötig.
Birkenwasser im Selbstversuch
Eine Freundin von uns hat, zusammen mit einem Freund, im Selbstversuch probiert, einen unserer Birkenbäume anzuzapfen.
Dazu haben sie mit einem großen Taschenmesser ein kleines Loch in den Stamm der Birke gemacht, ein kleines Röhrchen hineingesteckt und aus dem Röhrchen tropfte dann das Birkenwasser in eine große, leere Cola-Flasche, die wir sicher in einem großen Blumentopf unter dem Röhrchen platziert hatten.
Beim ersten Versuch mit dem Röhrchen und der offenen Flasche haben wir allerdings festgestellt, dass sich das Birkenwasser auch gut als Mottenfliegen eignet. Wir hatten die Flasche über Nacht unter dem Röhrchen stehen und es dann morgens wieder eingesammelt, bevor es geregnet hat. Dabei haben wir ungefähr 100 oder 150 ml Birkenwasser gewonnen, allerdings mussten wir es erst einmal durch einen Filter gießen, um die Motten und Fliegen zu entfernen.
Bei einem zweiten Versuch hat unsere Freundin den Aufbau dann optimiert und das Birkenwasser durch einen kleinen Schlauch direkt durch einen angebohrten Plastikdeckel in die Flasche laufen lassen - eindeutig besser.
Wir haben das selbst gewonnene Birkenwasser dann am nächsten Vormittag frisch verkostet.
Mein Mann fand es eigentlich ganz lecker, harmlos, aber nett. Ich fand, es schmeckte ein bisschen wie abgestandene Zitronenlimonade - aber so schlimm, wie mein Gesichtsausdruck hier beim Probieren vermutet lässt, schmeckte es dann doch nicht!
Inhaltsstoffe und Geschmack von Birkenwasser
Birkenwasser ist reicht an Aminosäuren, Mineralien und Antioxidantien und B- und C-Vitamin. Es enthält zwischen 0,5 und 2,0 % Zucker. Reines Birkenwasser, auch Birkensaft genannt, hat einen leicht süßlichen, nicht sehr intensiven Geschmack - kann ich bestätigen. Wie gesagt, mir schmeckte es ein bisschen wie abgestandene Zitronenlimonade.
Gesundheitsfördernde Eigenschaften
Birkenwasser werden zahlreiche gesundheitsfördernde Eigenschaften nachgesagt, die allerdings wissenschaftlich nicht erforscht sind. So gilt es als traditionelles Hausmittel bei Gicht und Rheuma und soll Schuppen und Haarausfall entgegen wirken und Hautunreinheiten reduzieren. Vielleicht kommt es daher, dass Birkenwasser verjüngende Wirkung nachgesagt wird. Bei Herzbeschwerden, Niereninsuffizienz oder Darmentzündungen wird vom Verzehr von Birkenwasser allerdings eher abgeraten.
Herstellung von Birkensirup
Birkensirup wird aus Birkenwasser und Zucker, ggf. auch noch aus Birkenblättern hergestellt. Traditionell verwendet man Birkensirup auf Island mit Waffeln und Pfannkuchen und bei Desserts, man benutzt ihn aber auch zum Süßen von Getränken, auch für Tee und Kaffee, und sogar zum Marinieren von Fleisch und Fisch (dann allerdings meist zusammen mit frischen Kräutern).
Dabei werden im Verhältnis 2 Liter Birkenwasser mit 50 g braunem Zucker in einen großen Topf gegeben und man lässt es bei niedriger Hitze so lange einkochen, bis ein dickflüssiger Sirup entstanden ist. Das genaue Rezept findet Ihr hier in diesem
Blogartikel von 2016.
Rezepte mit Birkensirup
Birken auf Island
Auf Island gibt es zwei Birkenarten, die hier heimisch sind und auch sehr charakteristisch für die isländische Natur: Die Duft-Birke (ilmbjörk), die im alltäglichen Sprachgebrauch gemeinhin nur als "Birke" (= "birki") bezeichnet wird, und die Berg-Birke oder auch Zwerg-Birke (fjalldrapi).
Die Duft-Birke liebt es hell, wächst sehr langsam und verträgt Wind und Frost. Sie ist der einzige einheimische Baum Islands, der Wälder bildet - allerdings wächst die Birke eher krumm und niedrig. Selbst in alten Wäldern erreichen Birken auf Island sehr selten eine Höhe von mehr als 12 Metern. Die Zwerg-Birke ist dagegen eher ein niedriger Strauch, der meist nicht mehr als maximal 1,2 Meter hoch wird. Man kann die Duft-Birke auch gut mit der Zwerg-Birke kreuzen, so entstehen niedrige, aber robuste kleine Bäume. Von diesen niedrigen Birkenwäldern kommt auch der bekannte isländische Witz: Was macht man, wenn man sich in einem isländischen Wald verirrt? Man steht auf!
Man schätzt, dass zur Zeit der Landnahme etwa 30 bis 40 % des Landes mit solchen Birkenwäldern bedeckt waren. Allerdings haben es die Wikinger geschafft, in kurzer Zeit die vorhandenen Wälder effektiv abzuholen, vor allem durch die durch extensive Weidewirtschaft und die vielen frei laufende Schafe entstanden Schäden an den Bäumen, die während der kurzen Vegetationsperiode in Island nicht ausgeglichen werden konnten und zum Untergang der Wälder führten.
Erst in den letzten rund 120 Jahren begann man auf Island langsam mit Wiederaufforstung. Bei der letzten Kartierung 2015 wurde ermittelt, dass heute wieder ca. 2% des Landes mit Wäldern bedeckt sind, davon sind rund 3/4 Birkenwälder.
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Quelle: Tímarit.is |
Fundstück: Birkenwasser in einer isländische Frauenzeitschrift von 1918
Auf der Suche nach Informationen über Birkenwasser in der isländischen Küche bin ich online auf die Jahresausgabe (ársrit) der isländischen Frauenzeitschrift "Hlín" von 1918 gestoßen.
"Hlín" (benannt nach einer altnordischen Göttin bei Snorri Sturluson) war das Magazin der "Sambandsfjelags Norðlenskra kvenna", also dem Verein nordischen Frauen, geschrieben von Frauen für Frauen. Die Zeitschrift erschien einmal im Jahr, von 1917 bis 1967.
Erste Vorsitzende des Frauenverbandes und Herausgeberin von "Hlín" war Halldóra Bjarnadóttir (1873 - 1981). Sie war Lehrerin, Schulleiterin in Akureyri, Stadträtin dort und engagierte sich besonders für einheimischen textiles Kunsthandwerk, organisierte viele Jahre lang Ausstellungen im In- und Ausland. Sie ging 1955 im Alter von 82 Jahren ins Altenheim nach Blönduós, wo sie noch über 25 Jahre lebte. Bereits 1931 wurde Halldóra mit dem Ritterkreuz (Riddarakross) des isländischen Falkenordens ausgezeichnet, 1971 erhielt sie dann noch das Großritterkreuz (Stórriddarakross). Zu ihrem 100. Geburtstag 1973 wurde sie Ehrenbürgerin von Blönduós. Bei ihrem Tod 1981 im Alter von 108 Jahren hinterließ sie ihr Erbe dem Verband der nordischen Frauen.
In der zweiten Ausgabe von "Hlín" von 1918 habe ich online eine Anleitung zur Gewinnung von Birkenwasser gefunden:
Im Frühjahr, bevor die Bäume ausschlagen, zapft man eine ausgewachsene, aber noch nicht besonders alte Birke an, indem man ein Stückchen der Rinde entfernt, von unten schräg nach oben bohrt und dann eine Adler- oder Schwanenfeder einführt. Dann stellt man eine Schüssel oder ein Glas darunter und fängt das Birkenwasser darin auf.
Anschließend gibt man das Birkenwasser in einen Kochtopf, fügt etwas Honig oder Zucker dazu und kocht dann alles langsam ein, bis eine sirupartige Konsistenz erreicht ist.
Den Birkensirup dann in Flaschen füllen und kühl und dunkel lagern.
Auch wenn man heute eher Plastikschläuche statt Vogelfedern verwendet - im Grunde hat sich nichts wirklich verändert seitdem.