Freitag, 5. Februar 2016

Skyr - die Grundlagen II

Skyr - traditionell isländisch 

schon seit der Landnahmezeit!



"Die überragende Rolle des Skyrs in der traditionellen Ernährung auf Island ist vielfach belegt; Erwähnung findet er bereits in Quellen des norwegischen und isländischen Mittelalter", so Eva Kraus in ihrer Dissertation "Undir borðum - Zur Funktionalisierung von Nahrung und Mahlzeiten in den Isländersagas" von 2013.
 
Es ist davon auszugehen, dass bereits zur Landnahmezeit die Wikinger, die von Norwegen aus Island besiedelten, ihre traditionellen Skyr-Rezepte mit nach Island brachten.

Alte Skyrfässer u.ä. im Museumsdorf Glaumbær

Skyr war über lange Zeiten ein Grundnahrungsmittel für die Isländer. Allerdings war es auch immer typische "Alltagskost", kein "feines Essen", das man einem besonders geschätzten Gast servieren würde, wenn man etwas anderes zur Auswahl hätte.


Hinweise auf Skyr findet  man schon in den alten Isländer-Sagas:


So wird in der Egilssaga berichtet, dass der Titelheld Egill Skallagrímsson (ca. 910 - 990) einmal unterwegs war, um für seinen König die Abgaben einzutreiben.

Auf einem Hof kehren sie eines Abends ein, werden aber "nur" mit Skyr bewirtet. Egill ist darüber zutiefst empört, er besteht darauf, etwas Besseres zu bekommen statt dieser Alltagskost, und wird dann sehr üppig mit Braten und Starkbier versorgt. Schließlich ist Egill so besoffen, dass er seinen Gastgeber wortwörtlich ankotzt, so heftig, dass diesem Egills Erbrochenes in Nase und Mund fliegt und er daran fast erstickt - selbst für Saga-Verhältnisse eine außerordentlich drastische, ausdrucksvolle Szene.

Aus Angst vor Egills berüchtigtem Jähzorn geben ihm die Leute auf dem Hof noch mehr Starkbier, in der Hoffnung, er würde irgendwann einfach einschlafen. Ganz erfüllt sich diese Hoffnung allerdings nicht und der Hausherr verliert durch Egills Zorn am nächsten Tag doch noch seinen Bart und ein Auge. Und alles nur, weil er es gewagt hatte, Egill und seinen Männern zum Abendessen schlichten Skyr zu servieren...



Auch in der Grettis-Saga um Grettir Ásmundarson, Grettir den Starken, wird Skyr ausdrücklich erwähnt:

Nachdem Grettir mit 19 Jahren von seiner ersten Reise nach Norwegen aus der Verbannung (wegen Mordes) nach Island zurück kommt, besucht er verschiedene alte Bekannte, darunter auch Auðunn Ásgeirsson, mit dem Grettir früher schon oft gerangelt hatte, wobei Auðunn der ältere und der stärkere der beiden Jungen gewesen war. Auðun ist  mittlerweile zu einem der stärksten und gleichzeitig friedlichsten und besonnensten Männer des Bezirks herangewachsen.

Grettir will Auðunn beeindrucken und nimmt sein gutes Pferd, seinen kostbarsten Sattel, sein Prachtgewand und seine besten Waffen mit, um Auðunn auf seinem Hof Víðidal zu besuchen. Auðunn hat allerdings wenig Sinn für Grettirs Wunsch nach einem erneuten Kräftemessen und will sich lieber um seine Arbeit kümmern. Da stellt Grettir dem Auðunn ein Bein, so dass Auðunn hinfällt und der Sack Skyr, den er gerade ins Haus tragen will, öffnet sich. Schließlich schmeißt Auðunn genervt Grettir den Skyr-Sack in die Arme und weil der Sack offen ist, wird Grettir samt seines Prachtgewandes dabei über und über mit Skyr beschmiert, was Grettir erst so richtig in Wut bringt - mit nachfolgender wüster Prügelei. Mittlerweile ist Grettir stärker als Auðunn, und erst Barði, ein Nachbar und entfernter Verwandter, kann Grettir von Auðunn abbringen und reitet dann mit ihm von Víðidal weg.

(Es ist übrigens, auch in Anlehnung an diese Szene der Grettis-Saga, im modernen Island immer noch eine besonders schlimme Form der Beleidigung, wenn man jemanden mit Skyr beschmeißt!)



Auch in der Ljósvetninga Saga, der Saga von den am Leuten am See Ljósavatn, die erzählt, wie sich die Ljótsvetningar u.a. unter Führung ihres Goden Þorgeirr Þorkelsson mit den Leuten vom Tal Mǫðruvellir herumstreiten und herumschlagen, und wie der Goðe Þorgeirr um 1000 n.Chr. im Rahmen der Christianisierung Islands seine alten Götterbilder in den Wasserfall in der Nähe wirft, der seitdem Goðafoss, also "Götterwasserfall" heißt, ist von Skyr die Rede:

Hier wird auch berichtet, wie später der Sturlungar Snorri Sturluson und einige seiner Söhne 1241 von seinem ehemaligen Schwiegersohn Gissur Þorvaldsson in seinem Haus in Reykholt ermordet wird. Gissur Þorvaldsson handelte dabei im Auftrag des norwegischen Königs Håkon IV.

Gissur versucht anschließend zwar, seine verwandtschaftlichen Bande zu den Sturlungar zu erneuern, indem er seinen Sohn mit einer Sturlungar-Tochter verheiratet, aber nachhaltig erfolgreich war er damit nicht. Eine Gruppe der Sturlungar kam schließlich zu Gissurs Haus, brannte er nieder und ermordete seine gesamte Familie - nur Gissur selbst kam mit dem Leben davon, indem er sich im Vorrat stundenlang in einem Fass Skyr versteckte, bis seine Feinde schließlich abgezogen waren.

Für seine getreuen Dienste ernannte König Håkon 1258 Gissur Þorvaldsson zum Jarl, also zum Earl / Fürsten.



Soweit man weiß, bildeten offenbar Milch, Skyr und Käse neben Fleisch und Fisch im Wesentlichen die Grundlage der Ernährung der Isländer zu der Zeit, in der die Sagas entstanden sind, also etwa zwischen 1150 und 1350 n.Chr., also kein Wunder, wenn man in den Sagas immer wieder auf Skyr, Molke und Käse trifft. In der Saga-Zeit selbst dürfte der Speiseplan allerdings wohl noch etwas üppiger ausgefallen sein, da die ersten Siedler etliche Nutzpflanzen und Haustiere mitgebracht hatten, die langfristig in Island nicht überlebten. 

Früher hatte jeder Isländer seinen "askur", seinen eigenen hölzernen Napf zum Essen

2 Kommentare: