Wochenende in Köln
Mein Mann hat dieses Jahr einen Vortrag auf dem Kolloquium gehalten, daher waren wir zusammen mit den anderen Vortragenden bereits am Vorabend zum Essen eingeladen, mit den Honoratioren der Gesellschaft.
Es war definitiv ein sehr intensiver, interessanter Abend, bei dem wir auch sehr viel gelernt haben. Und das Essen war auch wirklich ein Genuß! Abends sind wir dann sehr müde ins Hotelbett gefallen...
Island-Kolloquium am 15. November 2025
Die Veranstaltung fand, wie in den Vorjahren, in den Räumlichkeiten der Fritz-Thyssen-Stiftung im Apostelnkloster in Köln statt. Zuerst begrüßte Herr Prof. Dr. Gert Kreutzer, der Präsident der Deutsch-Isländischen Gesellschaft (DIG), alle Anwesenden. Professor Kreutzer (geb. 1940) ist ein renommierter Skandinavist und Übersetzer literarischer Texte aus dem Isländischen ins Deutsche, für seine wissenschaftliche Tätigkeit erhielt er 1996 das Ritterkreuz des isländischen Falkenordens.
Island - ein Frauenreich?
Den ersten Vortrag hielt Steinunn Sigurðardóttir, es ging um die Frage, ob Island ein "Frauenreich" ist. Gibt es auf Island heute wirkliche Gleichberechtigung..? Schließlich sind aktuell alle wichtigen Positionen in Island von Frauen besetzt:
Die Präsidentin von Island ist eine Frau (Halla Tómasdóttir, geb. 1968), die Ministerpräsidentin ist eine Frau (Kristrún Frostadóttir, geb. 1988). Auch die anderen beiden Regierungsparteien werden von Frauen geführt (von Þorgerður Gunnarsdóttir, geb. 1965, und Inga Sæland, geb. 1959). Die bisherige Polizeichefin von Island war eine Frau (Sigríður Björk Guðjónsdóttir, geb. 1969), allerdings trat sie im November 2025 wegen umstrittener Beraterverträgen zurück. Die Bischöfin von Island ist eine Frau (Guðrún Karls Helgudóttir. geb. 1969). Die Gesundheitsdirektorin von Island ist eine Frau (aktuell María Heimisdóttir, geb. 1964). Die Rektorin der Háskóli Íslands, der Universität von Island, ist eine Frau (Silja Bára Ómarsdóttir, geb. 1971). Die Liste lässt sich noch weiter fortsetzen...
In den letzten 50 Jahren, seit dem Frauenstreik vom Oktober 1975, hat sich die Situation von Frauen auf Island sehr verändert. Damals war das Land von Männern dominiert, Frauen war für Kinder, Haushalt und zu pflegende Angehörige zuständig, auch wenn damals schon 58 % der isländischen Frauen berufstätig waren. (Zum Vergleich: Heutzutage sind etwa 75% der Frauen in Island berufstätig und mehr als 65% der Frauen arbeiten Vollzeit.) Aber 1975 hatten Frauen in den "unteren Etagen" zu arbeiten, Führungspositionen waren Männern vorbehalten und für bestimmte Berufe wurden Frauen gar nicht in Betracht gezogen. Mit dieser Situation waren die isländischen Frauen aber zunehmend unzufrieden, über Parteigrenzen hinweg - und so legten am 24. Oktober 1975 rund 90% der Frauen in Island ihre Arbeit nieder, sie streikten oder macht einen Tag frei und gingen eben nicht zu Arbeit, betreuten nicht die Kinder, kümmerten sich nicht um den Haushalt - und brachten mit dem "Frauenstreik" fast ein ganzes Land zum Stillstand.
Infolge der Frauenstreiks von 1975 veränderte sich die isländische Gesellschaft - und bei der Präsidentschaftswahl 1980 wurde Vigdís Finnbogadóttir (geb. 1930) zur Präsidentin gewählt, damit war sie das erste demokratische gewählte weibliche Staatsoberhaupt weltweit.
Heutzutage ist Island führend in Sachen Gleichberechtigung, heute können Frauen in Island alles erreichen - in der Politik, im Staat, in der Kirche. Allerdings zahlen sie hierfür oft auch einen hohen Preis, der Krankenstand von Frauen ist signifikant höher als der von Männern, mehr Frauen beziehen Erwerbsminderungsrente und immer mehr gutausgebildete Frauen sind nicht mehr bereit, diese Doppelbelastung von Familienarbeit und Karriere zu stemmen.
Steinunn Sigurðardóttir (geb. 1950) ist eine bekannte isländische Schriftstellerin, sie lebt heute mit ihrem Mann þorsteinn Hauksson, einem bekannten Komponisten, teilweise in Südisland und teilweise in Frankreich. Bereits mit 19 Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Gedichtband. Für ihren Roman "Hjartastaður" ("Herzort") erhielt sie 1995 den isländischen Literaturpreis (Íslensku bókmenntaverðlaun), und erneut für ihren Roman "Ból" im Jahr 2023 - sie ist damit die erste weibliche Autorin, die den Preis zwei Mal erhielt. Für ihr Buch "Heiða - fjalldalabóndinn" über die Bergbäuerin Heiða (deutscher Titel: "Heiðas Traum") erhielt sie 2017 den isländischen Frauenliteraturpreis (fjöruverðlaun). Für ihre schriftstellerische Arbeit wurde ihr im Juni 1996 das Ritterkreuz des isländischen Falkenordens verliehen.
Im Jahr 1988 hatte Steinunn die Biografie "Ein á forsetavakt: dagar í lífi Vigdísar Finnbogadóttur" veröffentlicht, übersetzt "Allein im Präsidentenamt - Tage im Leben von Vigdís Finnbogadóttir". Darin werden mit großer Offenheit sieben Tag im Leben der Präsidentin beschrieben, mit Reisen ins In- und Ausland, Empfängen, Treffen, Büroarbeit, Kindererziehung und Freizeit und Vigdís teilte in Steinunns Buch offen ihre Gedanken und Überzeugungen.
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| Foto von 2005 von Steinunn und Vigdís (Quelle: morgunblaðið) |
In ihrem Vortrag in Köln betonte Steinunn, dass man die Bedeutung von Vigdís Finnbogadóttir für die Entwicklung der Rolle der Frau in Island gar nicht hoch genug bewerten könne, Mit ihrer charmanten, geduldigen und wertschätzenden Art habe sie (als alleinerziehende, berufstätige Mutter) letztlich Berge bewegt - und zwar für alle Frauen in Island.
Gegen den Wind tanzen - Einwanderer am Polarkreis
Im zweiten Vortrag des Tages sprach die Deutsche Dagmar Trodler (geb. 1965) über die Situation von Einwanderern in Island. Sie lebt selbst seit 2009 in Island, hat bereits zahlreiche historische und zeitgenössische Romane veröffentlicht und arbeitet aktuell als Köchin in Nordisland.
Geprägt durch ihre eigenen Erfahrung hat sie anhand von Zahlen und Fakten sehr realistisch, aber auch mit viel Liebe zu Land und Leuten die Schwierigkeiten skizziert, mit denen Auswanderer in Island im Alltag immer wieder konfrontiert sind.
Heute leben knapp 68.000 ausländische Staatsbürger in Island, etwa 68% davon sind EWR-Bürger. Etwa 17.000 Menschen sind als Asylsuchende bzw. auf der Suche nach internationalem Schutz nach Island gekommen. Im Jahr 1990 lebten gerade mal knapp 4% Ausländer in Island, heute sind es schon rund 20%. In manchen Orten liegt der Ausländeranteil, bedingt durch die vielen ausländischen Arbeitskräfte, bei 40 bis 60%.
Es fehlt an Wohnraum, an Sprachkursen, an finanziellen Mitteln für Sprachförderung für Ausländer und an Mitspracherechten - immerhin rund 18% der Bevölkerung sind Ausländer, und es gibt keine politische Partei, die sich für ihre Interessen einsetzt, keine gemeinsame Organisation, keine wirkliche Interessensvertretung.
Ein positives Beispiel in diesem Kontext, über das Dagmar auch gesprochen hat, ist der English Speaking Coucil, eine Initiative der Gemeinde Mýrdalshreppur für die Integration von Einwanderern in die isländische Gesellschaft, bei der zur Abwechslung mal nicht nur über die Einwanderer gesprochen wird, sondern mit den Einwanderern. In der Gemeinde rund um den Ort Vík lieht der Ausländeranteil bei rund 60%, viele der Menschen hier arbeiten in der expandieren Tourismus-Branche - viele leben in Gemeinschaftsunterkünften, mit unregelmäßigen Arbeitszeiten und viel Schichtarbeit. Der Besuch von Sprachkursen ist unter solchen Bedingungen extrem schwierig bis unmöglich, auch im Alltag mit ausländischen Kollegen und ausländischen Kunden haben viele Einwanderer nicht wirklich Kontakt zu Isländern.
Der Rat entstand im Rahmen der Kommunalwahl 2022, also nach einer Rechtsänderung ausländische Einwohner nach 3 Jahren (statt bisher 5 Jahren) auf kommunaler Ebene wahlberechtigt wurden. In Mýrdalshreppur bedeutete das, dass plötzlich 42% aller Wahlberechtigten Einwanderer waren - und ihre Anliegen daher in der Kommunalpolitik relevant wurden.
Dagmars Fazit - es ist schwierig, es ist noch viel Luft nach oben, manches läuft verkehrt. Aber sie selbst hat sich entschieden, als politischer Mensch jetzt die isländische Staatsbürgerschaft zu beantragen.
In der Mittagspause wurde mir sehr bewusst, dass wir in Köln waren, als wir unvermutet einer kompletten Karnevals-Kapelle gegenüberstanden.
Wir waren dann wieder mit Vertretern der DIG essen. Irgendwie fand ich es ja schon sehr cool, in der Mittagspause in einem noblen Restaurant in Köln zu sitzen mit einer Gruppe Isländer, mindestens zwei Trägern des Ritterkreuzes des isländischen Falkenordens, einer isländischen Sängerin, die sich auf Barock-Musik spezialisiert hat, einem isländischen Komponisten, .... Um mich herum wogt das Gespräch, immer wieder auf Isländisch, und ich verstehe sogar etwas. Cool!
Das Essen war übrigens auch sehr lecker.
Weihnachten in Island
Chronologisch hat er, aus Sicht eines Deutschen, durch die isländische Weihnachtszeit geführt, von den ersten Anfängen Ende Oktober, wenn der Radiosender Léttbylgjan ausschließlich Weihnachtslieder spielt. Er hat von den ersten künstlichen Weihnachtsbäumen in Island erzählt, vom Oslo-Baum, der Hamburger Tanne und dem Weihnachtsbaum, der von Cuxhaven alljährlich nach Hafnarfjörður gespendet wird. Von der Weihnachtsbeleuchtung auf den Friedhöfen, von den 13 isländischen Weihnachtsgesellen und der gefährlichen Weihnachtskatze. Von kulinarischen Traditionen, der weihnachtlichen Bücherflut und der Þorláksmessa am 23. Dezember - bis zum Heiligen Abend, Silvester und schließlich Þréttandi, dem 6. Januar, an dem auf Island ganz offiziell die Weihnachtszeit endet. Wer sich mehr für isländische Weihnachtstraditionen interessierte, hatte übrigens auch die Möglichkeit, auf dem Büchertisch unser Weihnachtsbuch oder eines unserer anderen Bücher zu kaufen. (Vielleicht hätte Markus doch weniger anschaulich den Geruch des Kæst Skata schildern sollen, den überwältigenden Gestank des traditionellen Gammelrochens am 23. Dezember, dann hätte sich unser Weihnachtsbuch möglicherweise besser etwas verkauft.)
Beim vierten Vortrag des Tages musste ein anderer Mitarbeiter von Embla kurzfristig für seinen erkrankten Chef einspringen und anhand einer Firmen-Präsentation
Die Firma Össur wurde 1971 durch Össur Kristinsson (1943 - 2024) gegründet, einem Orthopädietechniker, der selbst mit einer Unterschenkelfehlbildung geboren und amputiert worden war. Er war mit der schwerfälligen Beinprothese, die er trug, unzufrieden, und suchte nach besseren, innovativen Lösungen. So entwickelte er den heute weltbekannten Silikonliner - als Bindeglied zwischen Stumpf und Prothesenschaft. Hierdurch wird der Stumpf vor Druck und Feuchtigkeit geschützt und die Belastung gleichmäßig verteilt. So werden für die Anwender bestmögliche Ergebnisse für ein Leben ohne Einschränkungen erzielt.
Heute ist die Firma Össur Weltmarktführer im Bereich von Prothetikprodukten und Orthesen. , insbesondere für die oberen und unteren Gliedmaßen. Das Unternehmen engagiert sich für Inklusion, fördert den Behindertensport und ist Sponsor mehreren internationaler Spitzensportler. Und Össur bzw. mittlerweile Embla ist auch ein sehr attraktiver Arbeitgeber, so die überzeugte Darstellung des Mitarbeiters vor Ort.
Fazit
Es war ein tolles Kolloquium mit sehr unterschiedlichen, aber durchweg interessanten Vorträgen zu ganz unterschiedlichen Themen, zwei sehr intensive Tage - aber es war schon anstrengend und wir waren beide froh, hinterher wieder zu Hause zu sein und noch ein bisschen schnaufen zu können.
Takk fyrir allt, danke für alles!


























