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Altes Foto vom Dez. 2011 |
Update zum tödlichen Unfall in Reynisfjara
Am Samstag (
02.08.2025) gab es einen
tödlichen Unfall in Reynisfjara, bei dem ein 9-jähriges Mädchen aus Deutschland ums Leben kam, das mit seiner Familie dort am Strand war.
Das Mädchen, seine ältere Schwester und ihr Vater wurden von einer Welle erfasst. Vater und Schwester konnten sich retten, das 9-jährige Mädchen nicht mehr. Rettungsteams, Polizei und freiwillige Helfer waren im Einsatz. Nach 2 Stunden meldete die Polizei, die Besatzung des Hubschraubers habe das Mädchen gefunden. Es konnte nur noch der Tod des Kindes festgestellt werden.
Von Augenzeugen sind mittlerweile weitere Einzelheiten zu den Bedingungen vor Ort im Unfallzeitpunkt bekannt.
Beim
Morgunblaðið (mbl.is) ist ein Artikel erschienen mit dem Bericht eines
Ehepaares aus Estland, die mit ihren Kindern und Freunden Zeugen des Unfalls am Strand von Reynisfjara wurden.
Außerdem haben wir zufällig diese Woche in einem Kaffi in Sauðárkrókur zwei deutsche Frauen getroffen, die ebenfalls Zeuginnen des Unfalls waren und davon erzählt haben.
Sowohl das estnische Paar als auch die deutschen Frauen berichten übereinstimmend, dass im Unfallzeitpunkt die Ampel am Strand auf Gelb stand. Es war aber starker Wind und Wellengang und das Wasser reichte, wie man auch auf diesem Foto aus dem MBL-Artikel sehen kann, bereits bis an die Ecke des Felsens. Als der Unfall passierte, sollen sich rund 200 Besucher am Strand befunden haben.
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Quelle: mbl.is (Foto von Raiko Suurna) |
Auf dem Bild hier ist die Wasserlinie relativ weit von den Basaltsäulen vorne an der Ecke entfernt. Im Unfallzeitpunkt reichte das Wasser bis zu den Basaltsäulen.
Man konnte nicht um die Basaltsäulen am Strand herumgehen, daher kletterten offenbar etliche Besucher (wie hier auf diesem alten Bild in einem anderen
mbl-Artikel zu Reynisfjara) über die Basaltsäulen unten, um zur hinteren Höhle zu gelangen. Das ist potentiell lebensgefährlich!
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Quelle: mbl.is (Foto Kristinn Magnússon) |
Laut Augenzeugen waren bereits andere Besucher direkt vor dem Unglück in schwierige Situationen geraten, es sei "absehbar" gewesen, dass etwas passieren könne bei den Bedingungen und den Besuchern vor Ort.
Die Mutter der deutschen Familie war offenbar vorne am Strand geblieben, während der Vater und die Töchter über die Basaltsäulen zur hinteren Höhle gegangen waren.
Nach den Berichten der Augenzeugen waren der Vater und die beiden Töchter wohl in der hinteren Höhle vom Wasser eingeschlossen, als plötzlich eine unerwartet hohe Welle die Familie erwischt. Alle drei wurden demnach von der Welle umgerissen. Der Vater und das 12-jährige Mädchen schafften es, sich an Land zu halten, aber das 9-jährige Mädchen wurde von der Welle aufs Meer mitgerissen.
Den Augenzeugen-Berichten nach lief die 12-jährige Schwester wohl direkt zurück zum vorderen Strandbereich und schrie verzweifelt um Hilfe. Der estnische Mann rief nach eigenen Angaben sofort die Notrufnummer an und versuchte dann selbst zu helfen bzw. Hilfe zu holen, seine Frau versuchte, sich um das ältere Mädchen zu kümmern. Sie warnten auch andere Touristen vor Ort, die vor lauter Wind und Wellen nichts von dem Unfall mitbekommen hatten.
Mehrere Besucher versuchten offenbar, dem Mädchen im Meer einen Rettungsring zuzuwerfen, aber ohne Erfolg. Das Seil sei zu kurz gewesen, gab der Augenzeuge an. Drei oder vier Männer hatten demnach große Probleme, das Seil wieder zurückzuziehen, nachdem sie den Ring immer wieder geworfen hatten. Sie konnten das Mädchen mit dem Rettungsring, den es am Strand gab, nicht mehr erreichen.
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Ausschnitt aus einem Instagram-Video (Quelle: mannlíf.is) |
Andere Besucher kümmerten sich derweil offenbar um die ältere Schwester bzw. hielten den Vater und die Mutter des verunglückten Mädchens fest, die wohl versuchten, in die Wellen zu rennen, um irgendwie ihrem Kind doch noch zu helfen.
Laut Augenzeugenberichten sah man das Kind etwa 20 Minuten lang im Meer treiben, in unterschiedlichen Positionen, aber es gab keine Möglichkeit zur Hilfe. Die Wellen waren zu stark und stiegen weiter an.
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Quelle: mbl.is (Foto von Raiko Suurna) |
Dann riss kurz der Himmel auf, ein Sonnenstrahl durchbrach die Wolken und das Mädchen im Meer war nicht mehr zu sehen - so die Schilderung von einer der Augenzeuginnen.
Irgendwann räumten die Rettungskräfte den Strandabschnitt.
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Quelle: mbl.is (Foto von Raiko Suurna) |
Neu ankommende Besucher verstanden aber scheinbar nicht, dass hier gerade etwas Schreckliches passierte, manche versuchten offenbar, trotzdem an den Strand zu gehen, andere kehrten wieder um, nachdem sie erfuhren, was passiert war.
Zukünftig weitere Präventionsmaßnahmen
Die Bedingungen am Strand sind sehr schwierig, die Wellen in der Brandung "drehen sich wie in einer Waschmaschine", so dass man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, sagte der
Projektleiter der Abteilung
Katastrophenschutz bei der Polizei in Südisland in einem
Interview gegenüber MBL. Es ist extrem schwierig, Menschen zu retten, wenn sie in Reynisfjara im Meer gelandet sind. Von außerhalb der Welle habe man kaum eine Chance, einen Menschen in der Welle einen Rettungsring o.ä. zuzuwerfen und ihn zu erreichen. Außerdem sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch im Meer nach ein paar Minuten dort noch in der Lage ist, den Rettungsring greifen zu können, "leider nur sehr gering". "Wir haben nur sehr wenig Zeit, um Menschen zu retten, die ins Meer geraten, daher ist die Prävention in der Region extrem wichtig", so der Programmleiter vom Katastrophenschutz.
Zwar gibt es fast ein Dutzend Informationsschilder in Reynisfjara, mit denen Besucher gewarnt werden sollen, aber die Botschaft scheint oft nicht anzukommen.
Immer wieder reagierten Touristen auch mit Unverständnis, wenn man versucht, sie auf die Gefahren vor Ort hinzuweisen, berichtete auch einer der Landeigentümer vor Ort.
Besucher können die Situation oft überhaupt nicht einschätzen
In vielen Fällen ist dieses Unverständnis nicht einmal böse Absicht, viele Besucher können die Situation vor Ort einfach überhaupt nicht einschätzen.
Man kann nicht erwarten, dass Menschen, die noch nie an einer Stelle wie Reynisfjara am Meer waren, die Verhältnisse dort einschätzen können, selbst wenn Warnschilder und Lichter dort gut sichtbar sind, schrieb z.B. ein ehemaliger Kapitän der Küstenwache auf Facebook. Wer weiß denn schon, was z.B. eine Sneaker-Welle ist, wie weit solche Wellen reichen können, oder wie verdammt tief das Meer vor der Küste dort ist?
Da hilft es auch nicht, wenn manche fordern, man solle seinen gesunden Menschenverstand o.ä. einschalten - zu viele Menschen können die Gefahren offenbar wirklich nicht begreifen, weil ihnen jede spezifische Erfahrung dazu fehlt. Ja, man weiß, das Meer kann gefährlich sein - aber WIE gefährlich, das können scheinbar viele Menschen gar nicht ermessen.
Wir haben es auch selbst erlebt - wir waren mit Freunden zum Strand dort gefahren, wir hatten sie auf der Fahrt gewarnt und ausführlich von den Unfällen dort erzählt (Stichwort: "Chinese Takeaway", nachdem dort chinesische Touristen von den Wellen erfasst worden waren). Wir hatten mit ihnen vor der gelben Ampel gestanden. Das volle Programm. Und was machten sie..? Liefen als erstes direkt bis zum Wasser, ließen Steine flitschen und strahlten uns dann mit großen Augen an: Und bei schlechtem Wetter ist das echt gefährlich hier..?!? Nein, auch bei genau solchem Wetter - aber wir haben es nicht geschafft, das unserem Besuch verständlich zu machen. Leider. Seit dieser Erfahrung sehe ich einiges anders und glaube persönlich nicht mehr daran, dass "Eigenverantwortung" und "gesunder Menschenverstand" ausreichen, um Besucher dort ausreichend zu schützen.
Ja, in sehr vielen Fällen geht es glimpflich aus, die meisten Menschen, die dort ins Wasser geraten, werden nur nass. Die meisten werden nicht so schlimm erwischt, dass die Welle sie aufs Meer hinauszieht und sie dort ums Leben kommen. Aber jeder Tote, der dort ums Leben kommt, ist einer zu viel.
In Zukunft soll der Gefährdungsfaktor im Wellenvorhersagesystem angepasst und für die Prognose auf weitere Daten zurückgegriffen werden, um die Schaltung der Ampelanlage vor Ort zu ändern, damit das rote Licht früher angeht. Außerdem sollen Tore und Ketten installiert werden, um zu zeigen, dass das Gebiet in so einer Situation geschlossen ist.
Ich persönlich finde es gut, dass weitere Präventionsmaßnahmen ergriffen werden, um Besuchern die Gefährlichkeit dieses Ortes zu verdeutlichen. Man wird nicht jeden erreichen, das ist mir klar. Aber ich glaube, kein Elternteil geht mit Kind in so eine Situation, wenn ihm wirklich klar ist, WIE gefährlich das ist.