Sonderausstellung
vom 12.06. bis 31.10.2019
Am 8. Juni 1949 legte das Passagierschiff "Esja" in Island an. Mit der "Esja" kamen damals 130 deutsche Frauen und 50 deutsche Männer als Arbeiter nach Island.
Island ging es damals wirtschaftlich gut - es floss Geld ins Land, es floss vor allem auch in den Ausbau des Fischfangs und der Fischverarbeitung. Es gab jetzt Arbeitsplätze in der Stadt oder in den kleinen Fabriken an der Ostküste, bei denen man gutes Geld verdienen konnte, und hier bot sich den jungen Menschen ein völlig neuer Lebensstil, mit Coca-Cola und Jazz-Musik. So setzte bei den jungen Isländern, insbesondere bei den Isländerinnen, eine "Landflucht" ein - und auf den Höfen fehlten schon bald die Arbeitskräfte. Vor allem die Frauen.
Und so entstand in der isländischen Bauernpartei die Idee - warum holen wir uns nicht deutsche Frauen als Arbeitskräfte nach Island? Deutschland lag nach dem 2. Weltkrieg in Schutt und Ache, zudem gab es hier nach dem Krieg einen Frauenüberschuss. Da bot es sich doch geradezu an, deutsche Frauen nach Island zu holen. Auch im Hinblick auf die Bauernsöhne mit ihren oft weit abgelegenen, kleinen und sehr einfachen Höfen, die Bauernsöhne, die auf dem isländischen Heiratsmarkt nicht mehr besonders begehrt waren. "Bauer sucht Frau" anno 1949, gewissermaßen.
Toilette auf isländischem Hof
(Foto Árbærsafn, 2019)
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Auf Initiative des isländischen Bauernverbandes schaltete der isländische Vize-Konsol in Lübeck Anzeigen in den lokalen Zeitungen und warb im Rundfunk für diese Idee.
Gesucht wurden ledige Frauen (und Männer) im Alter von 20 bis 35 Jahren, nachweislich gesund und unbescholten, möglichst an landwirtschaftliche Arbeit gewöhnt, die sich zunächst für 2 Jahre zum Dienst in Island verpflichten sollten. Die vertraglich vorgesehene Arbeitszeit betrug 60 Stunden im Sommer und 50 Stunden im Winter, dafür verdienten die Männer 500 Kronen im Monat und die Frauen 400 Kronen, dazu gab es freie Kost und Logis.
Auch hier lag ein besonderer Anreiz: "Die jetzt in Island ausgeteilten Rationen (von Lebensmitteln) sind erheblich größer, als es in Deutschland der Fall ist, und die Rationierung erstreckt sich nicht auf isländische Lebensmittel sowie Fleisch, Milch, Fisch usw.", so die "Bestimmungen betreffend Verhältnisse und Bedingungen bei Dingen deutscher Männer und Frauen zu landwirtschaftlicher Arbeit in Island", die auf "Befehl der isländischen Reichsregierung erlassen" wurden. "Die Leute, welche nach Island gedungen werden, erhalten freie Beförderung nach Island und Beköstigung unterwegs." Nach der Ankunft in Island erhielt jeder "freie Beförderung nach seinem Arbeitsplatz, und er wird dorthin befördert und seine Arbeit anfangen so schnell wie es die Verkehrsverhältnisse erlauben".
Insgesamt kamen rund 500 Frauen und Männer damals aus Deutschland nach Island, etwa 300 von ihnen sind geblieben, viele haben in Island geheiratet und Kinder bekommen. Man schätzt die Anzahl der Nachkommen der damals als Arbeitskräfte eingewanderten Deutschen in Island heute auf über 2.000.
Anlässlich des 70. Jahrestages der Landung der "Esja" mit den deutschen Arbeitskräften für die isländische Landwirtschaft an Bord wird derzeit im Kornhús des Heimatmuseums von Árbær in Reykjavík vom 12.06. bis 31.10.2019 die Sonderausstellung "HEIMAt" gezeigt.
Die Ausstellung heißt "HEIMAt - tveir heimar". Der Titel ist ein Wortspiel mit dem isländischen Wort "heimur", das "Welt" bedeutet, andererseits als "heima" aber auch "zu Hause", und dem deutschen Wort "Heimat". "Also "HEIMAt - zwei Welten", Deutschland und Island.
Gezeigt werden Fotos der deutschen Fotografin Marzena Skubatz, die Bilder noch lebender deutscher Einwanderer und ihrer Lebensumstände präsentiert, alte Fotos des isländischen Pressefotografen Ólafur K. Magnússon von der Landung der Deutschen mit der Esja im Juni 1949 und einige historische Fotografien aus der Fotosammlung des Roten Kreuzes in Island.
Außerdem gibt es einen Nachdruck der "Winke für deutsche Arbeiter in Island" der Landwirtschaftlichen Gesellschaft Islands, der "Búnaðarfélag Íslands", mit einem Vorwort von Herbert Beck, dem derzeitigen deutschen Botschafter in Island.
Es handelte sich um eine kleine, deutsch-isländische Broschüre mit gerade einmal 24 Seiten, die den deutschen Arbeitskräften ihre neue Arbeitsstätte vorstellen sollte - mit einer kurzen Beschreibung der isländischen Landwirtschaft anno 1949 (S. 4 - 13), Vokabeln "Heimili - Haus, Familie", "Jarðrækt - Bodenbearbeitung", "Heyskapur - Heuernste", "Nautgripir - Rinder", "Hestar - Pferde" und "sauðfé - Schafe" (S. 14 - 18) und Hinweisen zur Aussprache des Isländischen (S. 19 - 23). Außerdem enthält die Broschüre Hinweise zu empfehlenswerten Lehrbüchern der isländischen Sprache, allerdings waren 2 der 3 Lehrbücher auf Englisch erschienen. Und bei der Ankunft erhielt jeder deutsche Arbeiter "einen Sprachführer als Hilfsmittel für die isländische Umgangssprache in die Hand".
"Ausländern, die für Arbeitszwecke zum längeren Aufenthalt nach Island kommen, ist eine möglichst baldige Erlernung der isländischen Sprache nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern auch im Interesse beider Teile dringend zu empfehlen. Je schneller die isländischen Arbeiter diesbezüglich zum Ziel gelangen, desto leichter wird es zu einem verständnisvollen Verhältnis zwischen ihnen und ihren isländischen Arbeitgebern kommen."
Bei der Ausstellungseröffnung am 12. Juni 2019 hielt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Eröffnungsrede.
Die Ausstellung ist klein und überschaubar, ich finde, man hätte noch viel mehr daraus machen können, aber lohnenswert fand ich den Besuch für mich auf jeden Fall!
Die Sonderausstellung soll noch bis zum 31.10.2019 gezeigt werden.
Wer sich für das Thema weitergehend interessiert, dem kann ich das Buch "Frauen Fische Fjorde - Deutsche Einwanderinnen in Island" von Anne Siegel von 2011 empfehlen. Exemplarisch werden in dem Buch 6 Frauen aus Deutschland portraitiert, die damals als Arbeitskräfte nach Island kamen und geblieben:
Hildur Björnsson, ehemals Hilde aus Lübeck, die in einem Haus am Meer im hohen Norden Islands, bevor sie mit über 80 Jahren erst im Winter und dann dauerhaft in ein Seniorenheim in der nächsten Kleinstadt zog. Úrsúla Pétursdóttir, ehemals Ursula Nissen aus Kiel, die als Au-Pair nach Reykjavík kam und die 1956 mit ihrem isländischen Mann auf seinen Hof in einem einsamen Tal östlich von Húsavík zog und der man längst nicht mehr anhörte, dass Isländisch nicht ihre Muttersprache war. Anita aus der Nähe von Bitterfeld, die mit ihrem Mann Kallí 30 Jahre lang einen Pachthof in Selfoss bewirtschaftete, bevor sie in eine Eigentumswohnung nach Reykjavík zogen. Alma, die 1950 als 17-Jährige nach Island kam, mit ihrem Mann Óskar neun Kinder hatte und die n der Region für ihren schönen Garten und ihre Kuchenrezepte berühmt war. Hildegard Allihn, Jahrgang 1919, Generalstochter aus Königsberg, die als Krankenschwester nach Island kam und blieb. Und Maria aus dem Ostsee-Bad Zoppot, die seit 1949 als María auf einem Hof in Nordisland lebte.
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