Montag, 16. Januar 2017

Regierungsbildung in Island nach den Neuwahlen 2016

Parlamentswahl vom 27. April 2013


Seit 2013 wurde Island von einer Koalition aus zwei konservativen Parteien regiert, nämlich der "Framsóknarflokkurinn", der "Fortschrittspartei", und der "Sjálfstæðisflokkurinn", der "Unabhängigkeits-" oder "Selbständigkeitspartei".

Bei der Parlamentswahl 2013 hatte die "Unabhängigkeitspartei" knapp 27% der Stimmen gewonnen, die "Fortschrittspartei" war mit knapp 25% zweitstärkste Partei geworden.

Premierminister dieser Koalition war allerdings bis April 2016 Sigmundur Davíð Gunnlaugsson von der "Fortschrittspartei". Nach massiven Protesten und Demonstrationen in Zusammenhang mit den sog. Panama Papers trat er zurück, Nachfolger wurde sein Parteikollege Sigurður Ingi Jóhannsson, seines Zeichens gelernter Tierarzt und bis April 2016 Landwirtschaftsminister im Kabinett seines Vorgängers.

Isländisches Parlament Althing

Framsóknarflokkurinn (FF) - Fortschrittspartei

Die "Fortschrittspartei" klingt zwar fortschrittlich, ist aber konservativ. Die Partei entstand 1916 aus der damaligen "Bauernpartei" und den "Unabhängigen Bauern". Sie tritt vorrangig für die Interessen der isländischen Bauern und Fischer ein. Die Partei ist zumindest EU-kritisch, mehrheitlich sprechen sich die Mitglieder der Partei gegen einen EU-Beitritt Islands aus - insbesondere auch wegen der bestehenden Fischereirechte und vieler Regelungen in der Landwirtschaft, die mit den EU-Regelungen nicht vereinbar wären. Dafür hat die Partei in ihrem Kongressbeschluss 2015 die globale Erwärmung "begrüßt" wegen der "neuen und spannenden Möglichkeiten", die die Klimaerwärmung für Island mit sich bringe - insbesondere im Hinblick auf eine steigende Getreideproduktion, Aufforstung und vielfältigere einheimische Nahrungsmittelproduktion. So kann man die Klimaerwärmung natürlich auch sehen.

Sjálfstæðisflokkurinn (SF) - Unabhängigkeitspartei

Die Unabhängigkeitspartei wurde 1929 durch Zusammenschluss der Konservativen Partei und der Liberalen Partei gegründet und vertritt bis heute konservativ-liberale Standpunkte. Sie ist die mitgliederstärkste Partei Islands. Die Unabhängigkeitspartei war an rund 70% der isländischen Regierungen beteiligt, bei fast der Hälfte aller isländischen Regierungen stellte sie den Premierminister. Bei der letzten Wahl im Oktober 2016 wurde die Partei mit 29% der Stimme stärkste Partei.

Interessant ist noch zu wissen, dass die Unabhängigkeitspartei von der wichtigsten Tageszeitung Islands, dem Morgunblaðið, unterstützt wird. Chefredakteur der Zeitung ist gegenwärtig Davíð Oddsson: Oddson war von 1991 bis 2004 für die Unabhängigkeitspartei isländischer Ministerpräsident und anschließend Chef der Isländischen Zentralbank. Er geriet im Rahmen der Wirtschaftskrise 2008 massiv in die Kritik und wurde schließlich Anfang 2009 von der damaligen Regierung aus Sozialdemokraten und Linken des Amtes enthoben. Im Herbst 2009 wurde er Chefredakteur des Morgunblaðið.


Neuwahlen am 29. Oktober 2016


In Island war es nach der Finanzkrise 2008 verboten, isländisches Geld ins Ausland zu bringen, ein Geldtransfer ins Ausland wurde mit einer sog. Stabilitätssteuer von knapp 40% belastet. Im Zuge der Enthüllung der sog. Panama Papers wurde bekannt, dass der damalige Premierminister Sigmundur Davíð Gunnlaugsson und seine Frau selbst aber sehr wohl große Teile ihres Vermögens ins Ausland gebracht hatten, ebenso wie rund ein Viertel seiner Kabinettskollegen.

Auch Ólafur Ragnar Grímsson, von 1996 bis 2016 der Präsident Islands, zog im Mai 2016 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im Juni 2016 zurück, nachdem bekannt geworden war, dass seine Frau auch Offshore-Konten im Ausland unterhielt.

Ólafur Ragnar Grímsson mit seiner Frau
bei den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag am 17. Juni 2016

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober 2016 wurde die Unabhängigkeitspartei mit 29% stärkste Kraft, die "Fortschrittspartei" wurde mit knapp 12% nur viertstärkste Partei. Allerdings konnten die bisherigen Oppositionsparteien auch keine Mehrheit erreichen. Die Regierungsbildung zog sich dann bis Januar 2017 hin, erst im vierten Anlauf konnte eine Regierungskoalition gebildet werden.

Regierungsbildung im Januar 2017


Die neue Regierung besteht aus drei Parteien, nämlich der "Unabhängigkeitspartei", mit 29% der Stimmen die stärkste Partei bei den Parlamentswahlen, sowie der "Reformpartei" ("Viðreisn"), die mit 10% die fünftstärkte Kraft geworden war, und der "Strahlenden Zukunft" ("Björt framtíð"), die gut 7% der Stimmen gewonnen hatte. Die Regierungskoalition hat allerdings nur eine Stimme Mehrheit im isländischen Parlament Althing (alþingi).


Die isländische Regierung wird seit dem 11. Januar 2017 wird von Bjarni Benediktsson von der "Unabhängigkeitspartei" geführt, der bereits seit 2013 Wirtschafts- und Finanzminister der Vorgängerregierung war. Neben dem Premierminister stellt die "Unabhängigkeitspartei" weitere 5 Minister der neuen Regierung.

Viðreisn - Reformpartei

"Viðreisn" wurde erst im Mai 2016 gegründet, es ist eine liberale und EU-freundliche Partei. Teilweise wird die Partei auch als Abspaltung der "Unabhängigkeitspartei" gesehen, da führende ehemalige Politiker der "Unabhängigkeitspartei" an der Gründung der "Reformpartei" beteiligt waren. In ihrem Parteiprogramm spricht sich die "Reformpartei" für soziale Gerechtigkeit, eine verantwortungsvolle Nutzung natürlicher Ressourcen sowie eine Referendum über die Wiederaufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU aus, außerdem für die Reform der isländischen Verfassung und mehr direkte Demokratie in Island.

Die "Reformpartei" stellt drei Minister, darunter Benedikt Jóhannesson, dem bisherigen Herausgeber des Nachrichtenmagazins "Iceland Review". (Das Nachrichtenmagazin wurde nach der Ernennung von Benedikt Jóhannesson zum Finanzminister von seinem Sohn Jóhannes Benediktsson übernommen.)

Björt framtíð - Strahlende Zukunft

Bereits 2009 wurde die Partei "Besti flokkurinn", also die "Beste Partei" als politische Plattform des erfolgreichen isländischen Komikers Jón Gnarr gegründet. Die Partei forderte offene statt verdeckter Korruption, kostenlose Handtücher in allen Schwimmbädern, einen Eisbären für den Reykjavíker Zoo und ein drogenfreies Parlament bis 2020. Außerdem versprach die Partei, im Falle eines Wahlsiegs alle Wahlversprechen zu brechen.


Die Partei galt zunächst als Spaßpartei, trat aber bei den Kommunalwahlen 2010 an - und Jón Gnarr wurde im Mai 2010 zum Bürgermeister von Reykjavík gewählt. Er regierte die Stadt bis 2014 sehr erfolgreich - zusammen mit zahlreichen Musikern, Schauspielern und anderen Künstlern. Zur Wiederwahl 2014 trat Jón Gnarr, zum Kummer vieler Bürger, nicht an. Zum Ende seiner Amtszeit als Bürgermeister wurde die "Beste Partei" im Juni 2014 aufgelöst.

Einige Mitglieder von "Besti flokkurinn" gründeten 2012 die neue Partei "Strahlende Zukunft", um bei den nächsten Parlamentswahlen landesweit antreten zu können. Bei der Wahl 2013 bekam die "Strahlende Zukunft" gut 8% der Stimmen, bei der Neuwahl 2016 verlor sie 1%-Punkt. Die "Strahlende Zukunft" ist eine liberale Partei, die sich für Umweltschutz und einen möglichen EU-Beitritt einsetzt.

Für die "Strahlende Zukunft" gehören zwei Minister der neuen Koalitionsregierung an, darunter der Parteivorsitzende Óttarr Proppé als neuer Gesundheitsminister. Óttarr Proppé ist Musiker (insbesondere im Bereich Rock und Punk) und Schauspieler und gehörte zu Zeiten von Jón Gnarr zum Stadtrat von Reykjavík, seit 2013 gehört er als Parlamentarier dem Althing an. Bekannt wurde Óttarr Proppé u.a. 2014, als er als Background-Sänger der isländischen Band Pollapönk für Island beim Eurovision Song Contest antrat. Pollapönk erreichte im ESC-Finale allerdings leider nur den 15. Platz.

Óttarr Proppé im August 2016
bei der Reykjavík Culture Night

Wie der EU-Kritiker Bjarni Benediktsson mit seinen EU-freundlichen Koalitionspartnern tatsächlich klar kommen wird und welchen Weg die neue Regierung geht, bleibt wohl abzuwarten.

Koalitionsvertrag vom Januar 2017


Im aktuellen Koalitionsvertrag haben sich die Parteien erst einmal darauf geeinigt, das Parlament abstimmen zu lassen, ob es ein Referendum über die Wiederaufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU gibt.

Außerdem wollen sie eine neue Geldpolitik, mit der sie die isländische Krone nach den starken Schwankungen der letzten Jahre konstanter halten im Vergleich zu ausländischen Währungen.

Ein Ratifizierung der Verfassungsreform, für die die beiden kleineren Koalitionspartner eingetreten sind, ist nicht geplant.



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