Treppengesang in Selfoss - Live von Vestmannaeyjar
Am 1. Montag im August ist auf Island Feiertag und das lange Wochenende, das "verslunarmannahelgi" (= "Kaufmannswochenende"), kurz "Versló" genannt, ist DAS große Reisewochenende der Isländer. Die Menschen fahren aufs Land, campen und feiern. An vielen Orten gibt es besondere Festivals und Veranstaltungen.
Das größte dieser Feste ist Þjóðhátið í Vestmannaeyjum, das große Volksfest im Herjólfsdalur auf den Westmännerinseln. Das Herjólfsdalur ist ein Tal im nordwestlichen Teil der Insel Heimaey. Bereits seit 1874 findet hier alljährlich am ersten Augustwochenende dieses Volksfest statt (ausgenommen 1973 und 1974, als das Tal durch den Vulkanausbruch auf der Insel nicht nutzbar war).
Beim Nationalfest im Herjólfsdalur treten viele bekannte isländische Musiker auf und das Fest endet mit dem berühmten brekkusöngur, dem "Hang-Gesang" um 23 Uhr, anschließend werden um Mitternacht Fackeln entzündet und der ganz Hang leuchtet.
Hier in Selfoss gibt es seit ein paar Jahren eine Live-Übertragung des "Hang-Gesangs" aus Vestamannaeyjar. Dann stehen die Menschen hier auf den Treppen am Brúartorg, dem Brückenplatz in der neuen Stadtmitte, verfolgen die Live-Übertragung, singen, tanzen, trinken und haben Spaß.
Die Live-Übertragung in Selfoss beginnt um 20 Uhr.
Ab 20.30 Uhr startet auf der Bühne im Herjólfsdalur das Konzert, dieses Jahr mit der Band Stuðlabandið und mit Gästen.
Wir waren kurz nach halb elf auf dem Platz - das Wetter war gestern etwas durchwachsen. Zwischendurch dachten wir schon, wir fahren nicht hin, hier bei uns schüttete es immer wieder sehr. Aber dann haben wir doch eine Regenpause genutzt, um zum Auto zu laufen, und sind nach Selfoss gefahren.
Vor Ort hatten wir Glück - am Abend hatte es in Selfoss auch geregnet, aber die ganze Zeit, als wir dort waren, war es wirklich trocken und windstill, rund 2 Stunden lang. So gutes Wetter hatten wir gefühlt den ganzen Tag über nicht!
Ab 23 Uhr folgt dann der "Brekkusöngur".
Außerdem wird dabei auf dem Bildschirm der Text des jeweiligen Liedes eingeblendet, so dass man einfach mitsingen kann, ob man den Song jetzt kennt oder nicht.
Für uns war das auch hilfreich - beim Mitlesen hatte ich zumindest eine Chance, ein bisschen was zu verstehen, worum es in den jeweiligen Liedern ging - es gab z.B. eine Hymne für den ÍBV, den Íþróttabandalag Vestmannaeyja, also den Sportverein der Westmännerinseln, viele Liebeslieder, viele Lieder mit Bezug zu den Inseln, von Seeleuten, die um die Welt segeln, ihre Liebste zu Hause vermissen und niemals wieder nach Hause kommen ("Ó, María mig langar heim"), von Männern, die in einer Kiste auf dem Friedhof enden, von einer Bootsbesatzung, die ausfährt und es stirbt tatsächlich mal keiner, ...
Die Menschen auf dem Brúartorg haben auf jeden Fall begeistert mitgesungen, mitgetanzt und mitgefeiert. Menschen aller Altersklassen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene. Für die Kinder gab es jemanden, der aus Luftballons Figuren knotete - auch noch um 11 Uhr abends. Die Stimmung war wirklich großartig!
Zum Abschluss des Hang-Gesangs standen viele Menschen auf, auch bei uns in Selfoss, manche legten sich sogar die Hand auf die Brust, und Magnús Kjartan spielte die isländische Nationalhymne, den Löfsöngur (= Lobgesang).
Die isländische Nationalhymne stammt von 1874, der Text ist von dem isländischen Nationaldichter und Pfarrer Matthías Jochumsson (1835 - 1920), die Melodie von dem Komponisten Sveinbjörn Sveinbjörnsson (1847 - 1927). Das Lied wurde beim Nationalfest anlässlich des Tausendjährigen Jubiläums der Besiedlung Island im August 1874 von einem gemischten Chor beim feierlichen Gottesdiensts in der Domkirche in Reykjavík in Anwesenheit des dänischen Königs Christian IX. uraufgeführt. Der Liedtext knüpfte an Psalm 90 an, den Predigttext für diesen Festgottesdienst - eine Klage über die menschliche Vergänglichkeit, über die Erkenntnis, dass 1000 Jahre in den Augen Gottes sind "wie der Tag, der gestern vergangen ist". Entsprechend ging das Lied über die 1000 Jahre seit der Besiedlung Islands: Für Dich, Gott, ist ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre ein Tag, nicht mehr, auch Islands tausend Jahre. Ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen, das zu seinem Gott betet und stirbt.
In der Folgezeit wurde das Lied zunehmend populär. Bei der Feier zur Souveränität Islands (im Rahmen der Realunion mit Dänemark) im Jahr 1918 wurde das Lied wie eine Nationalhymne gespielt, dieser Status wurde allerdings erst im März 1983 vom Alþingi, dem isländischen Parlament, im "Gesetz über die Nationalhymne der Isländer" offiziell verankert.
Nach der Nationalhymne wurden die Feuer auf dem Hang im Herjólfsdalur entzündet. Eine wirklich schöne Atmosphäre.
Aber mittlerweile war es schon nach Mitternacht und ich wollte nach Hause und ins Bett.
Gute Nacht!
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