Montag, 23. Januar 2023

Eldheimar - Feuerwelten

Vulkanausbruch auf Heimaey begann am 23. Januar 1973


Heute vor 50 Jahren begann der Vulkanausbruch auf der Westmännerinsel Heimaey. Der Ausbruch dauerte rund 5 Monate. Lava und Asche zerstörten 1/3 des Ortes. Nach dem Ausbruch war die Insel um knapp 20% größer. 

Die Menschen schafften es, die lebenswichtige Hafeneinfahrt zu retten, indem sie den Lavastrom so lange mit kaltem Meereswasser übergossen, bis er gerade noch rechtzeitig zum Halten kam. 


Die Inselgruppe der Westmännerinseln

Die Westmännerinseln (Vestmannaeyja) liegen vor der Südküste Islands. Die Hauptinsel Heimaey ist mit gut 13 km² die größte und einzige ständig bewohnte Insel der Inselgruppe. Zudem ist sie die einzige der Westmännerinseln, die sich bei mehr als einem Vulkanausbruch gebildet hat. Der älteste Teil der Insel ist vermutlich rund 10.000 Jahre alt, der letzte Ausbruch des Vulkans Helgafell auf Heimaey war vor etwa 6.000 Jahren. 


Unter den Inseln vermutet man einen Zentralvulkan. Aus der Neuzeit sind unterseeische Ausbrüche von 1673 und 1896 überliefert. Die zweitgrößte Insel der Westmännerinseln, die Insel Surtsey, entstand bei einem Vulkanausbruch 1963 - 67. 

Am Dienstag, dem 23. Januar 1973 um 1.50 Uhr begann der Vulkanausbruch auf Heimaey. 

Zum Glück war am Vortrag schlechtes Wetter gewesen. Die Fischer waren deshalb nicht ausgefahren und die komplette Flotte lag im Hafen, als der Vulkanausbruch begann. So konnten alle der rund 5.300 Menschen, die zu diesem Zeitpunkt auf Heimaey lebten, innerhalb von weniger als 3 Stunden in Sicherheit gebracht werden, bis auf etwa 200 Menschen, die auf der Insel blieben, um bei den Rettungsarbeiten zu helfen. Viele der Menschen kamen auf Island bei Verwandten und Bekannten unter, andere lebten in Notunterkünften. Es war offen, ob sie jemals auf ihre Insel zurückkehren könnten - und es kamen auch nach dem Ende des Ausbruchs nicht alle wieder zurück. Ende 1974 lebten aber schon wieder rund 4.600 Menschen auf Heimaey.

Der Ausbruch brach ohne große Vorwarnung über die Insel herein

Am Abend des 21. Januar 1973 begann gegen 20 Uhr eine Serie schwacher Beben rund um die Insel Heimaey. Bis 3 Uhr nachts am 22. Januar wurden mehr als 100 Erdbeben aufgezeichnet. Danach ließen die Beben wieder nach und hörten im Laufe des Vormittags komplett auf. Erst am späten Abend des 22. Januar begannen die Beben erneut, es wurden 7 Beben mit einer Stärke bis zu 2,7 gemessen. 

Ein stärkerer Erdbebenstoß kam dann nach Mitternacht am 23. Januar 1973 um 1.40 Uhr. Gegen 1.55 Uhr begann der Ausbruch, nur rund 200 m vom östlichsten Hof der Insel entfernt. Laut Augenzeugenberichten sah es zuerst aus, als ob das trockene Gras auf der Hofwiese brennen würden, die Polizei wurde zunächst wegen eines Flächenbrandes alarmiert. Doch schon in kurzer Zeit riss die Erde auf, es bildete sich eine 1.600 m lange Eruptionsspalte, aus der feurige Fontänen in den Nachthimmel spritzen.  

Innerhalb weniger Tage war praktisch die ganze Stadt von einer rund 2 Meter dicken Schlackenschicht bedeckt, viele Häuser brachen ein. Lava und Asche zerstörtem fast 400 Häuser und Gebäude. 

Während des Ausbruchs kam nur ein Mensch zu Tode, der wohl allein in den Keller der Apotheke ging und dort dann an einer Kohlendioxidvergiftung starb. 

Blátindur - eines der "Häuser unter der Lava"

Das Haus Blátindur in der Heimagata steht exemplarisch für die vielen Häuer, die bei dem Vulkanausbruch 1973 zerstört wurden. Früher stand es mitten im Ort - bis der Ausbruch kam. 

Das Haus wurde 1941/42 von den Eheleuten Þorsteinn Sigurðsson (1913 - 1997) und Anna Ó. Jónsdóttir (1917 - 2007) erbaut, 1959 ließen sie es erweitern, so dass es auf 290 m² Wohnfläche auf zwei Etagen kam, dazu noch den Keller. Þorsteinn (genannt Steini) war gelernter Tischler, wurde aber Geschäftsführer einer großen Fischfabrik auf der Insel und saß auch eine Wahlperiode im Stadtrat von Heimaey. Das Ehepaar hatte offenbar drei Töchter. Als der Vulkanausbruch am 23. Januar 1973 begann, lebten Þorsteinn, Anna und Annas Pflegeschwester Guðrún Sigurðardóttir (1912 - 1998) in dem Haus. 


Ende März 1973 war das Haus bereits größtenteils von Asche bedeckt, wie so viele Häuser im Osten der Stadt. Auf dem mittleren Bild auf dem Gedenkschild sieht man das Haus, wie es am 30.03.1973 aussah - auf dem Bild vom 09.04.1973 war dann außer der Wand vom Wohnzimmer-Anbau mit dem Fenster nichts mehr von dem Haus übrig.

Die Wand vom Anbau mit dem Fenster blieb noch lange erhalten und wurde zu einem Symbol für die Häuer, die beim Vulkanausbruch unter Lava und Asche begraben wurden. Der letzte Teil des Hauses stürzte im Juni 2013 ein. 

Als wir im Sommer 2010 auf Heimaey waren, konnten wir die Überreste von "Blátindur" noch hinter den jetzigen Häuern am Ende der Vestmannabraut besichtigen. 


Die städtischen Behörden stimmten 2016 zu, dass die Fensterseite des Anbaus rekonstruiert wurde, zur Erinnerung an die "Häuser in der Lava", "Húsin í hrauninu". 


Die Eheleute Þorsteinn und Anna bauten übrigens nach dem Ende des Vulkanausbruchs ein neues Haus in Heimaey, in der Illugagta, etwa 1 km von ihrem alten Haus entfernt. Das neue Haus nannten sie "Blátindur II". Þorsteinn und Anna gehörten zu den Menschen, die nach dem Vulkanausbruch auf ihre Insel zurückkehrten. 


Der Friedhof der Westmännerinseln

Auf dem Schild am Friedhofseingang sieht man noch sehr anschaulich, wie es hier während des Vulkanausbruchs 1973 aussah, als der gesamte Friedhof mit Asche bedeckt war. Mit Schaufeln und Schubkarren haben die Menschen von Heimaey ihren Friedhof nach dem Ausbruch wieder ausgegraben. Am Eingang steht noch eine Säule, die verdeutlicht, wie hoch damals hier die Asche auf dem Friedhof lag, etwa 1,80 m hoch. Die Aufschrift auf dem Torbogen war noch lesbar, aber das Tor selbst komplett unter der Asche verschwunden... und im Hintergrund spuckte der Vulkan Eldfell weiter. 



Hraunkæling - Lava-Kühlen zur Rettung der Hafeneinfahrt

Schon am ersten Tag des Vulkanausbruchs besuchten Forscher die Westmännerinseln und überlegten, ob es möglich wäre, den Lavastrom mit kaltem Meerwasser aufzuhalten, wenn er drohte, die Hafeneinheit vom Meer her abzuschneiden. Schließlich ist und war Fischfang die Lebens- und Wirtschaftsgrundlage von Heimaey, ohne Hafen hätten die Menschen nicht auf ihre Insel zurückkehren können. 


Bereits Anfang Februar 1973, zwei  Wochen nach Beginn des Ausbruch, begann die Feuerwehr mit der Installation von Wasserleitungen, um den Lavastrom mit Hilfe von Wasserpumpen abzukühlen und aufzuhalten. Diese ersten Versuche gaben "Anlass zu gewissen Hoffnungen" und so wurde immer größere, kräftigere Pumpen besorgt. Das Feuerlöschboot "Sandey" unterstütze die Maßnahmen ab dem 01. März und spritze 400 l Meerwasser pro Sekunde auf die fließende Lava. Sogar aus den USA wurden besonders leistungsstarke Pumpen eingeflogen, die ab Ende März im Einsatz waren. 

Immer wieder gab es neue Ausbruchsstellen und sich verzweigende Lavaströme, bei denen die flüssige Lava teilweise mit Geschwindigkeiten von 40 bis 100 Metern pro Stunde in Richtung Hafen vorrückte und alle Häuser auf ihrem Weg zerstörte. 

Bis zu 75 Menschen haben bei diese Maßnahmen mitgearbeitet, teilweise unter Lebensgefahr, wenn die Leitungen nahe an der glühend heißen Lava verlegt werden mussten. Mit Pumpen und Spritzen wie dieser hier haben sie kaltes Meerwasser auf den Lavastrom gespritzt, um ihn abzukühlen und so zum Halten zu bringen, bevor er die Hafeneinfahrt verschließen konnte. 



Schätzungsweise 6,2 Mio. Tonnen Meerwasser wurde so auf die Lava gespritzt - um die Abkühlung war letztlich ein großer Erfolg. Am 26. März kann der Lavastrom, der die Hafeneinfahrt zu verschließen droht, endlich zum Halten gebracht werden - nur 210 m von der Felswand auf der anderen Seite des Hafens entfernt. 


Am Hafen erinnern noch heute die Überreste des alten Schwimmbads von Vestmannaeyja an die "Abkühlung" der Lava: 

Hier befand sich früher ein 12 x 20 m großes Schwimmbecken, in dem Meerwasser auf rund 23° Badetemperatur erhitzt wurde, das Schwimmbad war 1934 in Betrieb genommen worden. Eigentlich sollte das Bad 1973 erweitert werden - dazu kam es nicht mehr, das Becken wurde im März 1973 von der heranfließenden Lava vollständig zerstört. 



Museum Eldheimar - Feuerwelten

Im Rahmen des Projekts "Pompeji des Nordens" wurden umfangreiche Ausgrabungen der 1973 verschütteten und zerstörten Häuser gemacht. Als wir 2010 auf der Insel waren, konnten wir die Ausgrabungsstätte im ehemaligen Suðurvegur noch besuchen. 



Seit 2014 gibt es das Museum "Eldheimar".


Kernstück der Ausstellung ist das Haus Gerðisbraut 10, das seit dem Ausbruch 1973 unter Tonnen von Vulkanasche begraben war - das Museum wurde um die Ruinen des Hauses herum errichtet. Durch viele Fotos und Berichte von Augenzeugen werden die Ereignisse rund um den Vulkanausbruch 1973 für den Besucher erlebbar. 

In dem Haus wohnten damals die Eheleute Guðni Ólafsson und Gerður Sigurðardóttir, zusammen mit ihren drei kleinen Söhnen. Sie mussten damals in der Nacht der 23. Januar Hals über Kopf auf ihrem Haus fliehen. Viele ihrer ehemaligen Besitztümer kann man heute durch die Fenster des zerstörten Hauses im Museum besichten - oder vielmehr das, was von ihnen übrig blieb.

Durch den Audio-Guide, der einen durch das Museum führt, wird die Ausstellung sehr anschaulich.


Neben dem Museum kann man noch die Ruinen eines anderen Hauses sehen, das ebenfalls 1973 unter der Asche begraben wurde. 



Heute ist auch auf Heimaey die Wiederaufforstung in vollem Gange - hier etwas unterhalb vom Vulkan Eldfell werden mittlerweile kleine Bäume angebaut. Die Wiederaufforstungsgesellschaft wurde im Jahr 2000 gegründet und hat etwa 60 Mitglieder.  



Seit dem Ausbruch ist die Insel Heimaey knapp 20% größer als vorher - die Insel ist um 2,2 km² gewachsen und ein neuer, ursprünglich rund 220 m hoher Berg (Eldfell) ist hinzugekommen. 


Als wir im Sommer 2010 das erste Mal auf Heimaey waren, war es für meinen Mann noch etwas Besonderes, auf einem 200 m hohen Berg zu stehen, der jünger ist als er selbst. 

Mittlerweile haben wir beim Ausbruch am Vulkan Fagradalsfjall 2021 allerdings selbst erlebt, wie schnell es gehen kann - Anfang April 2021 liefen wir noch durch ein Tal zur damaligen Ausbruchsstelle und im August 2022 kamen wir auf dem Weg zur neuen Ausbruchsstelle am Hauptkrater des ersten Ausbruchs vorbei - und dort, wo beim letzten Mal noch ein Tal war, ragt jetzt der Krater empor, höher als die Berge in der Umgebung. 

Foto: Sommer 2010


Vulkanische Energie zum Brotbacken

Beim Vulkanausbruch betrug die Temperatur der heißen Lava teilweise über 1.000°, aber auch nach Jahrzehnten war die Erde an manchen Stellen noch richtig heiß. So war die Deutsche Ruth, die seit Anfang der 80er Jahre auf Heimaey lebt, berühmt für ihr Lava-Brot, das sie in der noch heißen Erde am Vulkan Eldfell gebacken hat - der Teig kam in eine Blechdose und die Dose dann für 6 Stunden in die heiße Erde. 

Mittlerweile reicht die Restwärme des Vulkanausbruchs allerdings nicht mehr zum Brotbacken... 



Ende des Ausbruchs - 04. Juli 1973

Am 03. Juli 1973 erklärte der Ausschuss für Zivilschutz nach Einschätzung von Sachverständigen für beendet. Der Ausbruch dauerte 5 Monate und 10 Tage. Noch heute feiern die Menschen das Ende des Ausbruchs am ersten Wochenende im Juli und schmücken ihre Häuser für diesen besonderen Anlass (Foto von 2010).



Die Spuren des Ausbruchs von 1973 sind auf der Insel weiter allgegenwärtig - auch nach 50 Jahren.





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