Freitag, 20. Januar 2023

Bóndadagurinn

Der Bauerntag / Ehemännertag


Der Bóndadagur, der Bauern- bzw. Ehemännertag, wird auf Island traditionell in der zweiten Januarhälfte gefeiert. Dabei hüpften die Männer nur im Hemd und mit einem Hosenbein barfuß ums Haus, zogen das andere Hosenbein hinter sich her, und danach bekamen sie von ihren Frauen extra-leckeres Essen wie sauer eingelegte Hammelhoden oder gesengten Schafskopf - na, klingt das nicht verlockend?!?  

Der Bóndadagur wird am ersten Tag des Monats Þorri gefeiert. Dieser Monat ist der vierte Wintermonat im alten isländischen Kalender, er beginnt am Freitag in der 13. Winterwoche (zwischen dem 19. und dem 25. Januar). Der Name Þorri findet sich erstmals in einer Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, dem altisländischen Rechtsbuch Grágás, sowie in der Snorra-Edda von Snorri Sturluson, die um 1220 entstanden sein soll und in der Snorri die alten Monatsnamen aufzählt. Die alten Monatsnamen waren auf Island bis ins 18. Jahrhundert hinein üblich, heutige (wie z.B. Þorri oder Góa) werden teilweise auch heute noch verwendet. 

Woher der Name "Þorri" kommt, ist nicht ganz geklärt - einige führen ihn auf den Reifriesen Þorri aus der nordischen Mythologie zurück (was wörtlich übersetzt auch wieder so viel wie "Dürre" bedeutete, also auf die letzten Vorräte im Winter, wenn dann die Nahrung langsam knapp wurde). Andere glauben, der Monatsname gehe auf Þorri, einen der ersten legendären norwegischen Fürsten auf den Orkney-Inseln, zurück. 

Nordische Mythologie im Museum Vikingaheima (2013)


Bóndadagur - 20. Januar 2023 

Der erste Tag des Monats Þorri ist auf Island der bóndadagur, der Bauern- oder heutzutage eher der Ehemänner-Tag. Dieses Jahr 2023 fällt der bóndadagur auf den 20. Januar (2024: 19. Januar, 2025: 24. Januar).

Der mündlichen Überlieferung nach musste der Bauer auf jedem Hof an diesem Tag vor allen anderen aufstehen und, bekleidet nur mit einem Hemd und einem Hosenbein, auf einem Bein drei Mal im Kreis um seinen Hof hüpfen, das andere, leere Hosenbein hinter sich her ziehend, um den Wintermonat Þorri gebührend willkommen zu heißen. Anschließend wurde ihm von seiner Hausfrau ein besonders gutes Essen serviert und der Bauer lud abends alle Nachbarn zu einem großen Fest ein, dem Þorrablót, das in dieser Zeit reihum auf den Höfen in der Nachbarschaft gefeiert wurde. 

Dazu wurde traditionelles isländisches Essen serviert, was im Winter lange haltbar war, insbesondere sauer eingelegte Lebensmittel wie Blut- und Leberwurst, eingelegte Hammelhoden oder sauer eingelegtes Walfleisch. Dazu gab es flatbraud, das traditionelle isländische Fladenbrot, und reichlich Brennivín. Bei diesen Festen soll viel gegessen, getrunken und gesungen worden sein und die Leute vergnügten sich ausgelassen bis tief in die Nacht. 


Diese Traditionen rund um den bóndadag wurden allerdings nur mündlich überliefert. Erstmals schriftlich erwähnt wurden die Feste in einem Brief von 1728 an den isländischen Gelehrten Árni Magnússon, die Bezeichnung bóndadagur findet sich dann bei Jón Árnason in seinen isländischen Volksmärchen von  1862/64. Erst ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts findet man die Bezeichnung bóndadag auch in anderen schriftlichen Quellen. ´

Strenggläubigen Christen war dieses "heidnische" Fest allerdings ein Dorn im Auge und so geriet es über die Jahrhunderte in Vergessenheit oder war verpönt.

Das erste überlieferte Þorrablót der Neuzeit fand 1873 statt - 
damals war das Ketzerei

Im Jahr 1873 feierten isländische Studenten in Kopenhagen das erste überlieferte Þorrablót der Neuzeit - damals noch skandalös, dieser Bezug auf die alten nordischen Götter und Traditionen. In der isländischen Verfassung war damals noch die isländische Volkskirche als evangelisch-lutherische Staatskirche für die Isländer vorgeschrieben, alles andere galt als Ketzerei. Erst im Folgejahr 1874 wurde die Religionsfreiheit in die isländische Verfassung aufgenommen.

Die "íslenska fornleifafélag", die isländische Gesellschaft für Altertumskunde (gegründet 1879) veranstaltete ab 1880 oder spätestens ab 1881 alljährlich ein großes, festliches Þorrablót für ihre Mitglieder. 

Þorramatur zum Þorrablót - eine Tradition erst ab den 1950er Jahren 

In den 1950er Jahren wurden später dann auch von lokalen Heimatvereinen auf dem Land festliche Büffets zum Þorrablót angeboten. 

Das ehemalige Restaurant Naustið in der Vesturgata in Reykjavík bot erstmals im Jahr 1958 sog. Þorramatur an, um auch den Stadtbewohnern die Möglichkeit anzubieten, traditionelle isländische Gericht vom Land probieren zu können, ohne Mitglied eines Heimatvereins werden zu müssen. 

Der Begriff "Þorramatur" für das traditionelles Essen beim Þorrablót geht auf dieses Essen im Restaurant Naustið 1958 zurück. 

Blick in die Vesturgata in Reykjavík

Heutiges Þorramatur - Mischung aus sauer eingelegtem Essen und anderen traditionellen isländischen Gerichten

Mittlerweile hat sich das Þorramatur, das Essen beim Þorrablót, gewandelt: Nachdem früher vorwiegend nur sauer eingelegte Gerichte serviert wurden, sind jetzt auch andere traditionelle Gerichte hinzugekommen, die zwar eine lange Tradition in der isländischen Küche haben, aber für den modernen isländischen Gaumen nicht ganz so ungewohnt sind, wie z.B. Trockenfisch, Hangikjöt (zweifach über Schafsdung geräuchertes, gut abgehangenes Lammfleisch) und Saltkjöt (frisches Fleisch, das durch Einlegen in Salzlake haltbar gemacht wird). 

In Restaurants wird heutzutage zum Þorrablót meist eine Auswahl verschiedener Gerichte angeboten, so dass auch die Leute, die nicht so gerne sauer eingelegte Gerichte essen, gerne an Þorrablót-Feiern teilnehmen können. 

Für die meisten Touristen mit einem mitteleuropäisch geprägten Gaumen dürften allerdings auch diese Gericht wie Schafskopf, sehr intensiv geräuchertes Lammfleisch oder auch harmloser Trockenfisch eher ungewohnte Genüsse darstellen, für die sich sicherlich nicht jeder begeistern kann. Aber eine Erfahrung ist es bestimmt!


In diesem Sinne dann: 
Geðilegan bóndadag! 





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