Sonntag, 11. August 2019

Nielsen

Der Geschmack des Ostens 


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Im Mai 2019 wurde im Herzen von Egilsstaðir im ältesten Wohnhaus der Stadt, dem Nielsenshús, ein neues Restaurant eröffnet - das Restaurant Nielsen, Nielsen veitingahús.

Der Name geht auf den Erbauer des Hauses zurück, den Dänen Oswald Nielsen, der hier mit seiner isländischen Frau und seiner Familie lebte. Ein paar Fotos und alte Werkzeuge erinnern im Nielsen noch an Oswald Nielsen, wie beispielsweise dieser selbst angefertigte Hammer, den er beim Bau des Hauses verwendete und den seine Tochter dem Restaurant jetzt überlassen hat.

Auch wenn das Haus das älteste Wohnhaus der Stadt ist, so ist es doch erst 75 Jahre alt - der ganze Ort ist noch jung. Früher gab es hier am Lagarflót nur einen Gutshof, erst 1944 kamen die ersten Häuser dazu. Seit 1987 hat der Ort Stadtrechte. Egilsstaðir hat heute etwa 2.500 Einwohner.

Nach dem Auszug der Familie Nielsen hatte das Haus ganz verschiedene Nutzung, zuletzt als Café, bevor Kári Þorsteinsson und seine Lebensgefährtin Sólveig Bernadóttir hier ihr Restaurant eröffnet haben.

Sólveig stammt aus Egilsstaðir, sie hatte als Flugbegleiterin gearbeitet, während Kári aus den Westfjorden kommt und in Island ein sehr bekannter Koch ist - nach Stationen in London (im nordisch geprägten Sterne-Restaurant Texture) und Kopenhagen (im legendären Sterne-Restaurant Noma) war er in Reykjavík im Restaurant Kol beschäftigt und hat 2018 als Chefkoch im Dill erfolgreich den Michelin-Stern seines Vorgängers verteidigt.

Als sich bei Sólveig und Kári dann Nachwuchs ankündigte, zogen die beiden von Reykjavík in Solveigs Heimat Egilsstaðir, damit ihr kleiner Sohn hier auf dem Land aufwächst statt in der Hauptstadt.

In ihrem Restaurant Nielsen geht es ihnen um den Geschmack Ost-Islands. Der Fokus der Gerichte liegt auf lokalen und saisonalen Zutaten, die auf ihrem geschmacklichen Höhepunkt geerntet werden und dann, je nachdem, entweder frisch verwendet werden oder konserviert - eingelegt, eingekocht, gesalzen, …


Um wirklich gute Küche bieten zu können, ist die Speisekarte im Nielsen klein und wechselt je nach Saison. Die Produkte stammen nach Möglichkeit aus Ost-Island, aus der Region, wenn sie dort nicht zu beschaffen sind, aber auch aus anderen Ecken Islands. Viele Produkte stammen aus Vallanes, dem Bio-Bauernhof ein paar Kilometer südlich von Egilsstaðir, der sich mit seiner Marke "Móðir Jörð" (= "Mutter Erde") in Island längst einen Namen gemacht hat. Käse und Skyr stammen von einem anderen Bauernhof in Egilsstaðir. Das Eis für das Dessert, das aus Bio-Milch herstellt wird, stammt allerdings von einem Handwerksbetrieb in Reykjavík - doch dazu später mehr.

Es gibt auf der Abendkarte drei Vorspeisen, vier Hauptgerichte und drei Desserts zur Auswahl, man kann sich aber auch für das 3-gängige Menu entscheiden.


Der Haupt-Speiseraum des Nielsen befindet sich im oberen Stockwerk des Hauses und war gut besucht, obwohl wir an einem Montag Abend und schon um 18 Uhr dort waren. (Es war wirklich schwierig, meinen Mann beim Essen so zu fotografieren, dass man einen guten Eindruck vom Restaurant bekommt, aber trotzdem keine anderen Gäste auf dem Foto zu sehen sind!)

Wir waren jetzt Ende Juli 2019 unterwegs, vor allem im Osten Islands, und hatten von Sólveig und Kári eine Einladung in ihr neues Restaurant in Egilsstaðir bekommen. Um möglichst viel verschiedenes ausprobieren zu können, hat sich mein Mann im Nielsen für das Menu entschieden, während ich mir eine Vorspeise und ein Hauptgericht von der Karte ausgesucht habe. Während des Essens hat sich Sólveig sehr liebevoll um uns gekümmert, uns zu den einzelnen Gerichten und ihren Zutaten viel erzählt und erklärt und uns ganz großartig durch unser Essen begleitet.


Das hier ist meine Vorspeise von der Karte - Rentier-Tartar, die kleinen gelben Farbflecken sind Eigelb, die braunen sind gekochte und pürierte Pilze, dazu Rentiermoos, Rogen und Croutons. Das Essen war ein absolutes Gedicht, so klar und erfrischend und strukturiert, jeder Bissen eine neue Geschmacksexplosion im Mund. Ja, ich weiß, das klingt bombastisch - aber das war es auch!

Sólveig erzählt uns beim Essen, dass Kári das Rentier hier in Ostisland selbst gejagt hat, und auch das Rentiermoos hat er selbst gesammelt. (Bei unserem Besuch ist er allerdings nicht im Restaurant in der Küche, sondern passt zu Hause auf den 7 Monate alten Sohn auf. Der Mann kann also nicht nur kochen, jagen und sammeln, sondern ist auch noch ein engagierter Vater - er muss ein Traummann sein!)


Das hier ist die Vorspeise des 3-Gang-Menus - Gerstengraupen, in Skyr gekocht, mit Käse, Schalotten und Rucola. Meine erste Begegnung mit Graupen hatte ich in den 80er Jahren in einem Schnellrestaurant in Ungarn und diese Begegnung zwar ziemlich traumatisierend - aber die Graupen damals hatten absolut nichts mit dem zu tun, was wir hier auf dem Teller hatten - das hier war einfach ein Gedicht, so herrlich cremig, sämig, weich und geschmeidig...  genau so, wie Risotto schmecken sollte, aber es leider viel zu oft nicht tut. Aber das hier war wirklich perfekt! (Ein Glück, dass ich mir am Vormittag in Vallanes eine große Packung Gerstengraupen gekauft habe, da muss ich unbedingt noch ein bisschen experimentieren, um den Geschmack wenigstens ansatzweise nachempfinden zu können.)


Das hier ist der Hauptgang von der Karte - Fisch des Tages (an dem Tag war es Dorsch, aber manchmal haben sie auch spannendere Fische, erzählt uns Solveig) mit Gerstengraupen aus Vallanes, dazu Rhabarber, Engelwurz und Basilikum-Öl und frischer Rucola. Irgendwie kommt der Fisch gegen die Graupen nicht so recht an, die Graupen mit den ganzen Geschmacksnoten von süßlich über intensiv-würzig und fast ein bisschen bitter, aber dabei unglaublich rund im Geschmack sind einfach zu gut!


Die Hauptspeise des 3-Gang-Menus ist Lammfleisch mit Kartoffeln, Kohlrabi, Gemüse-Püree und Öl mit Schnittknoblauch. Es schmeckt großartig, das Lammfleisch ist wirklich butterweich, ein echter Genuss, und in das Gemüse-Püree mit dem Öl würde ich mich am liebsten reinlegen.


Das hier ist die Nachspeise vom Menu - Milchspeiseeis auf Schokolade mit Salzkaramell und Lärchen-Nadeln. Die Schokolade schmeckt intensiv, aber auf keinen Fall zu süß, eher würzig, und ab und zu trifft man beim Essen auf eine knackige Salzflocke, dazu die zarten, feinen Lärchen-Nadeln, ganz jung "geerntet" und noch schön weich. Das Milchspeiseeis bezieht Nielsen von SKÚBB, erzählt uns Sólveig, einer kleinen Speiseeis-Manufaktur in Reykjavík, die ihr Eis mit Bio-Milch herstellen. Das Dessert ist auf jeden Fall ein Gedicht!


Nach dem Essen bringt uns Sólveig noch eine kleine Kostprobe von einem Dessert, an dem sie gerade tüfteln - Lupinen-Sorbet mit Basilikum-Öl. Solveig meint, die bisherigen Probe-Esser lieben dieses Dessert oder sie finden es furchtbar, dazwischen gäbe es nicht viel. Daher wären sie derzeit noch dabei, es vielleicht doch etwas sanfter und harmloser abzuwandeln. Geschmacklich war es für uns eine absolute Explosion, leicht süßlich, intensiv, frisch, geradezu atemberaubend. Viel hätten wir davon nicht essen können - aber ein paar Löffelchen für jeden war ein grandioser Abschluss für ein wirklich sehr gutes Essen!

Nach dem Essen führt Sólveig uns noch kurz durch das Restaurant, die Räumlichkeiten im Untergeschoss, wo sie auch noch ein paar Tische haben, …


...und wo wir noch ein weiteres Betätigungsfeld von Kári bewundern können - er experimentiert begeistert mit der Haltbarmachung von Lebensmitteln, von getrockneten Beeren über in Essig eingelegte Kräuter wie z.B. Estragon bis zu in Zucker eingelegte Lupinen und Engelwurz, wahlweise in Zucker, Salz und Essig konserviert. Also ganz viele angehende Zutaten für die zukünftige Winterküche im Nielsen!

Das Experiment mit Topinambur war bisher allerdings noch nicht so erfolgreich, erzählt Solveig, die Pflanzen, die eigentlich gut 2 Meter hoch werden können, wurden nur murkelig und etwa kniehoch und auch die Knollen, die sie geerntet haben, waren viel zu klein. Sólveig erzählt, das liege wahrscheinlich daran, dass die Pflanze eine Kurztagspflanze ist, die erst blüht, wenn eine bestimmte Tageslänge unterschritten wird. In Island, wenn im Juni die Sonne nach Mitternacht untergeht und nachts um 2 Uhr schon wieder aufgeht, sind die Bedingungen für Topinambur dann doch etwas ungünstig. 


Auf der Terrasse hat das Nielsen auch noch etliche Plätze, die bei schönem Wetter zum Einsatz kommen können - auch wenn sie dieses Jahr in Egilsstaðir leider noch nicht viele schöne Tage hatten. Außerdem gibt es ein Festzelt im Garten, dass sie gerne für Junggesellinnen-Abschiede und ähnliche Feierlichkeiten nutzen.


Wir hatten einen absolut großartigen Abend im Nielsen, haben grandios gespeist und dank Sólveigs Begleitung durch das Essen rundum auf wunderbare Art und Weise den Geschmack Ost-Islands kennen lernen dürfen. Wir sind begeistert und werden auf jeden Fall wiederkommen, wenn wir das nächste Mal nach Egilsstaðir kommen!

Noch einmal ganz vielen herzlichen Dank, Sólveig und Kári, für dieses fantastische Erlebnis! 



Im Überblick:

Das Restaurant Nielsen hat täglich von  11.30 Uhr bis 22 Uhr geöffnet. Es bietet Lunch, Kaffee und Waffeln und abends Dinner an, am Wochenende gibt es Brunch.

Die Mittagskarte wechselt regelmäßig, damit die Gäste, die mittags überwiegend Leute aus dem Ort sind, die in der Mittagspause zum Essen hierher kommen, genug Abwechslung geboten wird. Deshalb ist die Mittagskarte auch allgemeiner gehalten, nicht so "typisch Ost-Island" oder typisch isländisch wie die Abendkarte.

Beim Dinner gibt es 3 Vorspeisen, 4 Hauptgerichte und 3 Desserts zur Auswahl. Die Vorspeisen kosten aktuell (Stand Juli 2019) im Schnitt etwa 2.560 ISK (gut 18,40 €), die Hauptgerichte liegen im Durchschnitt bei 3.845 ISK (knapp 27,70 €) und die Desserts zwischen 1.490 ISK und 1.690 ISK (also etwa zwischen 10,70 € und 12,20 €).

Wenn man möchte, kann man aber auch das 3-Gang-Menu bestellen, das Menu besteht aus je einem festgelegten Gericht von der Karte und kostet für Vorspeise, Hauptgericht und Dessert aktuell 6.990 ISK, umgerechnet gut 48 €.


* Rechtlicher Hinweis: 

Es handelt sich hierbei formal gesehen um Werbung, da wir zum Essen eingeladen wurden. Wir besuchen aber nur Restaurants und Lokale, von denen wir vorher Gutes gehört haben und die wir - aus den verschiedensten Gründen - spannend finden. Insoweit waren wir auch ehrlich begeistert und wenn wir in Lobeshymnen ausbrechen, sind die wirklich ernst gemeint.


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