Am 31. Juli endet die Amtszeit des derzeitigen isländischen Präsidenten Guðni Th. Jóhannesson, zum 1. August 2024 tritt die neu gewählte Präsidentin Halla Tómasdóttir ihr Amt an.
Anlässlich der Amtsübergabe in Bessastadir, dem Amtssitz auf Álftanes, habe ich noch einen Buchtipp für Euch:
"Das Geheimnis der Sprakkar" von Eliza Reid, der Frau des noch amtierenden isländischen Präsidenten Guðni Th. Jóhannesson.
Eliza Reid
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Quelle: www.elizareid.com |
Eliza Jean Reid wurde 1976 in Ottawa, Kanada, geboren, und wuchs in der kanadischen Provinz Ontario auf. Sie studierte zunächst in Toronto und wechselte nach ihrem Bachelor-Abschluss 1998 nach Oxford in Großbritannien, wo sie ihren Master in Moderner Geschichte machte. In Oxford lernte sie im Herbst 1998 Guðni Th. Jóhannesson (geb. 1968 in Reykjavík) kennen, der damals ebenfalls dort studierte und dem 2003 der Doktortitel in Geschichte verliehen wurde.
Im Jahr 2003, fünf Jahre nach ihrem ersten Date, zog Eliza mit Guðni nach Island, 2004 heirateten sie. Das Paar hat vier gemeinsame Kinder, drei Söhne (geb. 2007, 2009 und 2011) und eine Tochter (geb. 2013). Aus erster Ehe hat Guðni noch eine Tochter (geb. 1994).
Eliza Reid ist Historikerin und arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin und Lektorin, u.a. für Iceland Review, Reykjavík Grapevine oder das Bordmagazin der Fluggesellschaft Icelandair. Sie ist auch Mitbegründerin des Iceland Writers Retreat, eine einwöchige, internationale Veranstaltung für Schriftsteller, die seit 2014 jährlich in Reykjavík stattfindet. Das Treffen bringt Autorinnen und Autoren aus vielen verschiedenen Ländern zusammen, hilft ihnen, sich weltweit zu vernetzen, während renommierte Autoren Schreibworkshops in Kleingruppen leiten, es Gesprächsrunden gibt und diverse andere Veranstaltungen.
Guðni Th. Jóhannesson wurde im Juni 2016 mit 39% der Stimmen als Präsident von Island gewählt und trat sein Amt am 1. August 2016 an. Bei den Wahlen 2020 gab es nur einen einzigen Gegenkandidaten und Guðni wurde mit 89,4% der Stimmen im Amt bestätigt.
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Bessastaðir, der Amtssitz des isländischen Präsidenten |
Auf Island ist die Rolle des Präsidenten oder der Präsidentin überwiegend repräsentativer Natur, es ist das gewählte Staatsoberhaupt des Landes. Politische Entscheidungen im Tagesgeschäft obliegen der Regierung und dem Parlament, insoweit äußert sich sich Staatspräsident nicht öffentlich zu politischen Themen, dies gilt ebenfalls für seinen Lebenspartner. Das würde auch Eliza Reid selbstverständlich nicht tun. Aber: "Gender-Gerechtigkeit ist kein politisches Thema, sondern ein Menschenrecht". Ihr Buch "Sprakkar" ist daher auch kein politisches Statement, sondern "vielmehr Porträt eines Landes und seiner Menschen".
Das Buch "Sprakkar"
Das Buch "Sprakkar" ist zu Weihnachten 2021 erschienen, und zwar auf Englisch und übersetzt auf Isländisch, es ist seit 2023 auch auf Deutsch erhältlich, unter dem Titel "Das Geheimnis der Sprakkar". Das Buch erschien 2022 auch als Hörbuch auf Englisch und Isländisch. Beim isländischen Hörbuchbuchpreis im März 2024 erhielt Eliza Reid für ihr Buch den Ehrenpreis.
Das Wort "
sprakkar" ist eine alt-isländische Bezeichnung für
außergewöhnliche Frauen, für Frauen, die etwas Herausgeragendes geleistet haben. Das Wort (im Singular "sprakki") ist
grammatikalisch übrigens
männlich, bezeichnet aber
nur Frauen. Der deutsche Untertitel lautet: "Isländische Frauen und wie sie die Welt verändern".
Island gilt als einer der besten Orte der Welt für Frauen, und zwar "weil ein einzigartiges Zusammenspiel aus Geschichte, Mentalität, Politik und Glück" hier beste Chancen in Sachen Gleichberechtigung hervorgebracht haben. (Und es gibt noch ein paar Bereiche, in denen Island Weltspitze ist: Es ist eines der glücklichsten Länder der Erde. Es gibt die höchste Akzeptanz von Homosexualität. Es ist eines der friedlichsten Länder der Welt - vermutlich auch deswegen, weil Island gar keine Armee hat.)
In vielen Staaten der Welt wird das Thema "Geschlechtergerechtigkeit" noch politisch diskutiert. In Island ist man da schon weiter: "Hier auf Island wird allerdings nicht mehr darüber debattiert, ob Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ein wichtiges Ziel darstellt, sondern es geht darum, wie man sie am besten erreicht", schreibt Eliza Reid in ihrem Buch. Wie andere wegweisende First Ladies auf der ganzen Welt vor ihr, so hat auch Eliza Reid entschieden, ihre "unerwarteten Möglichkeiten als First Lady" zu nutzen, indem sie "Stimme und Perspektive" einer Immigrantin "in den Kampf um Gleichheit" einbringt.
Eliza Reid hat für ihr Buch zahlreiche Interviews mit vielen verschiedenen Gesprächspartnern geführt und diese Gespräche dann mit ihren "subjektiven Erinnerungen und Eindrücken kombiniert", um aus ihrer Sicht - als Frau und Feministin - über das Land zu schreiben, in dem sie lebt, das auf dem Weg zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau schon viel weiter gekommen ist als viele andere Länder. Sie hofft, ihr Buch "beweist, was für eine Gesellschaft wir gemeinsam erschaffen können, wenn wir darüber wachen, gleiche Chancen, gleiche Erfahrungen und gleichen Lohn für Menschen jeglichen Geschlechts zu garantieren" - also für Männer und für Frauen und für non-binäre Menschen. Das Buch soll ein positives, aber dabei auch realistisches Bild der isländischen Gesellschaft vermitteln. Denn trotz allem, was schon erreicht wurde, ist auch Island "kein Paradies für Frauen", das "Patriarchat ist stark und tief verwurzelt".
Eliza Reid schreibt in ihrem Buch auch von einer "Momentaufnahme von vor 20 Jahren" - damals war sie noch frisch nach Island gekommen und arbeitete hier bei einem Start-up, das Software für Fluglinien designte. Sie beschreibt anschaulich, wie sie hier die ersten Schritte "von der Ausländerin zur Isländerin" tat. Sie stellte sich um, bei der Arbeit - von Tee mit Milch auf starken schwarzen Kaffee, von Busenesskostümen mit High Heels zu Khakihosen mit Baumwolltops.
Vorsitzender der Firma, bei der Eliza Reid im Oktober 2003 angefangen hat, war "eine Frau Ende dreißig namens Halla Tómasdóttir". Halla (geb. 1968) hatte "einige Jahre in der US-amerikanischen Geschäftswelt verbracht", bevor sie nach Island zurückkam, um eine Familie zu gründen und bei verschiedenen Firmen, u.a. in der Finanzbranche, zu arbeiten. Die erste Begegnung war bei einer Sitzung in der Firma, Halla "war gerade aus der Elternzeit für ihr zweites Kind zurück und leitete die Zusammenkunft, während sie das Baby stillte". Rund 75% der Mitarbeiter der Firma waren Männer, aber niemand zuckte mit der Wimper, als die Vorsitzende ihr Baby stillte, während sie die Sitzung leitete, und "mindestens ein männlicher Teilnehmer schaukelte später den Winzling auf seinem Schoß", während die Mutter weiter die Tagesordnung abhandelte. In einem Land, wo das möglich ist - können Frauen da mit ein bisschen Glück wirklich alles haben? Familie und Karriere?
Island ist immer noch ein Vorbild in Sachen Gleichberechtigung, aber wirkliche Gleichberechtigung ist selbst hier noch immer nicht erreicht.
Rechtliche Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Aus Island gibt es großzügige finanzielle Unterstützung für Eltern, auf die auch Freiberufler Anspruch haben, und eine stark subventionierte Kinderbetreuung nach Ende der Elternzeit (auch wenn die Suche nach einem Betreuungsplatz in letzter Zeit zunehmend zum Problem wird - und auch die Isländer statistisch betrachtet immer weniger Kinder bekommen).
Auf Island gibt es Elternzeit für beide Elternteile, und Eliza Reid bringt ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass die Elternzeit gerade für Väter "ein wertvoller Rohstoff" ist, um im Leben ihrer Kinder eben nicht nur eine Rolle als "Versorger" zu spielen, sondern mit ihren Kindern einmalige Augenblicke zu erleben, die nicht wiederkehren werden. Hier ein Zitat aus dem Buch:
"Schaut mal", rief mein dritter Sohn, als wir an einem Frühlingsabend ein einsames Entenküken ängstlich schnattern hörten. "Das Küken vermisst seinen Daddy!"
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Enten auf dem Tjörnin, dem Stadt-Teich in Reykjavík |
Fazit zum Buch
"In großem Ausmaß werde ich die Welt nicht ändern. Aber ich kann meinen Teil dazu beitragen, den Dingen einen Schubs in die richtige Richtung zu geben." Das hat Eliza Reid als Journalistin und Frist Lady Islands mit ihrem Buch "Sprakkar" definitiv getan, und das tun auch, alltäglich im Großen und Kleinen, all die starker Frauen, die sie in ihrem Buch vorgestellt hat.
Mich persönlich hat ihr Buch unglaublich angesprochen. Schließlich bin ich selbst eine Frau, ich bin berufstätig und habe Kinder und einen Ehemann. Ich habe, in gewissem Umfang, ein bisschen was erreicht, habe aber auch meine Erfahrungen mit Vorurteilen gegenüber Alleinerziehenden und berufstätigen Müttern oder auch Frauen generell gemacht. Ich habe, nach dem ersten Kind, auch eine Zeitlang als Gleichstellungsbeauftragte gearbeitet. In gewisser Weise ist "Gleichberechtigung" also genau mein Thema.
Bei all meinem Interesse an dem Buch hatte ich beim Lesen aber auch phasenweise meine Schwierigkeiten damit. Da es vielfach Interviews ganz vieler unterschiedlicher sprakkar sind, liest es sich natürlich nicht wie ein Roman, und teilweise hatte ich Schwierigkeiten, mich von dem Buch mitreißen zu lassen. Ehrlich gesagt, ich habe es nicht an einem Stück gelesen, sondern immer mal wieder.
Eine "Liebeserklärung an Island", das ist das Buch ganz bestimmt, und zwar eine realistische Liebeserklärung. Wenn man eben nach 20 Jahren weiß, woran man ist - und glücklich, auch wenn nicht alles perfekt ist.
Anekdote am Rande
Wir haben Elizas Mann Guðni im August 2022 bei der Kulturnacht (
menningarnótt) erlebt, als er an seinem
Amtssitz Bessastaðir Tag der Offenen Tür hatte und allen Besuchern persönlich die Hand schüttelte zur Begrüßung und, in verschiedenen Sprachen, ein paar freundliche Worte wechselte. Für uns als Deutsche war es ein echtes Erlebnis - ein Staatsoberhaupt zum Anfassen!