Die Wäscherei in der Vitastígur
Als wir letztens durch Reykjavík gelaufen sind, fiel mir an einer Hauswand ein Wandbild auf, das ich bewusst so noch nie gesehen hatte und das mir unbekannt vorkam.
Also hat mein Mann auf meine Bitte hin noch ein Foto gemacht - mein Handy streikte mal wieder, ich fürchte, ich brauche doch mal ein neues... aber ein Bild von dem Wandbild wollte ich auf jeden Fall!
Und ein paar Tage später fiel mir dann durch puren Zufall ein Online-Artikel im Morgunblaðið auf - mit genau diesem Wandbild!?!
Quelle: mbl.is |
Mittlerweile habe ich ein bisschen recherchiert über die Geschichte, die hinter diesem Bild an der Wand der Wäscherei steht:
In dem Haus in der Vitastígur befindet sich die chemische Reinigung Úðafoss, wohl die älteste noch in Betrieb befindliche chemische Reinigung auf Island, gegründet 1933.
Das Bild an der Hauswand stammt von dem isländischen Künstler Stefán Óli Baldursson, auch bekannt als Stebbi Motta. Nachdem er als Kind Ende der 1990er Jahren mit einer Spraydose anfing, Graffiti an Wände zu sprühen (und dafür Ärger von seiner Mutter bekam), arbeitete er später zunächst als Straßenkünstler und hat mit wachsendem Erfolg auch viele Innen- und Außenwände in und um Reykjavík, aber auch an anderen Orten auf Island und Grönland, mit seinen Werken bemalt.
Stefán Óli ist u.a. fasziniert von alten isländischen Fotos, die er im Reykjavíker Ljósmyndasafn (Museum für Fotografie) und anderen Archiven findet. So war er auch auf ein Schwarz-Weiß-Bild des isländischen Fotografen Sigurhans Vignir (1894 - 1975) gestoßen, das sich im Besitz des Árbæjarsafn befindet. Das Foto zeigt die steinerne Waschküche im Laugardalur von Innen, und die Waschfrauen sind bei der Arbeit.
Þvottalaugarnar
Bei den "Wäschebecken" handelt es sich um Becken mit heißem Wasser, die bis in 20. Jahrhundert von Hausfrauen und Dienstmädchen in Reykjavík zum Waschen genutzt wurden. Sie befanden sich im Laugardalur, in Laugamýri, auf dem Gelände des alten Bauernhofs Laugarnes.
Lange Zeit mussten die Frauen, mit ihrer Wäsche auf dem Rücken, ohne eine Straße von der Innenstadt von Reykjavík bis ins heutige Stadtviertel Laugardalur laufen, um hier oft im Dunkeln in eisiger Kälte und dem sengenden Dampf des kochend heißen Wassers ihre Wäsche zu waschen.
Ein erster Unterstand für die Waschfrauen an den heißen Becken wurde 1833 im Auftrag des damaligen Landvogts Regner Christoffer Ulstrup (1798 - 1836) errichtet, der von den Arbeitsbedingungen der Waschfrauen entsetzt war. Allerdings wurde der Unterstand 1857 bei einem Sturm wieder zerstört.
Erst rund 30 Jahre später besserten sich die Arbeitsbedingungen für die Frauen nachhaltig, als 1886 mit dem Bau der Straße von Reykjavík nach Laugardalur, dem Laugavegur, begonnen wurde, was den Weg mit der Wäsche enorm erleichterte, und außerdem die gemeinnützige Thorvaldsens-Gesellschaft, der älteste isländische Frauenverein in Reykjavík (gegründet 1875) hier an den Becken 1887 eine Waschküche bauen ließ, die der Verein später der Gemeinde schenkte.
Die Nutzung der heißen Becken zum Wäschewaschen ging nach 1909 zurück, als die Häuser in Reykjavík mit fließend Wasser versorgt wurden. Im Ersten Weltkrieg herrschte allerdings ein solcher Mangel an Brennstoff, dass die Frauen wieder zum Waschen ins Laugardalur kamen. Zwischen den Kriegen ging die Nutzung der Wäschebecken wieder stark zurück, insbesondere nachdem ab 1930 die Stadt auch mit Heißwasser versorgt wurde.
Nach der Besetzung Islands im Mai 1940 durch die britischen und anschließend die amerikanischen Streitkräfte wurde hier aber wieder in großem Stil für das Militär gewaschen. Ende 1940 sollen rund 200 Frauen hier vor Ort für eine Wäscherei gearbeitet bzw. für das Heer oder die Soldaten gewaschen haben, dabei betrug der Stundenlohn der Frauen teilweise weniger als 2 ISK.
Das erste Steinhaus für die Waschfrauen wurde dann 1942 errichtet. Das Haus bot zunächst Platz für 32 Arbeiterinnen und führte dazu, dass sich die Arbeitsbedingungen der Frauen massiv verbesserten, vor wurde die Arbeit jetzt deutlich sicherer, da man jetzt nicht mehr direkt auf dem rutschigen Boden an den Becken mit dem kochend heißen Wasser stehen musste, sondern das Wasser durch eine Leitung in Waschzuber fließen lassen konnte und dann in diesen Zubern waschen.
Noch bis in die 1960er Jahre wurde diese Waschmöglichkeit von Frauen aus der Umgebung, deren Wohnungen noch nicht an die Heißwasserversorgung angeschlossen waren, rege genutzt. Erst 1976 wurde das Waschhaus endgültig geschlossen. Heute sind die Becken trocken, von dem einstigen Waschhaus bzw. den Becken sieht man wohl nur noch Reste der Grundmauern.
Foto als Inspiration für das Wandgemälde
Dieses Foto des isländischen Fotografen Sigurhans Vignir zeigt die Waschfrauen, hier im 1942 errichteten Waschhaus an den Wäschezubern bei der Arbeit sind.
Quelle: vatnsidnadur.net |
Inspiriert von diesem Foto ging der Künstler Stefán Óli Baldursson dann auf die Besitzer der Wäscherei bzw. die Eigentümer des Hauses zu und fragte, ob er die Hauswand mit diesem Motiv bemalen durfte.
Die Eigentümer waren einverstanden und so entstand dieses großformatige Wandgemälde, in Stil und Farben sichtlich an den Zeitgeist der 1940er Jahre angelehnt, also an die Zeit, in der damals das Foto der Waschfrauen in dem Waschhaus im Laugardalur entstand.
Ich finde es spannend, wie mit diesem Wandbild an dem Haus einer Wäscherei gewissermaßen an die ganze lange Geschichte der Waschfrauen im Laugardalur erinnert wird!
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