Die "hinsegin dagar", die "queeren Tage", werden seit 1999 in Reykjavík gefeiert. Der erste Umzug durch die Stadt fand dann im Jahr 2000 statt, mit rund 12.000 Besuchern.
Das isländische Wort "gleðiganga" bedeutet übersetzt so viel wie "Lauf der Freude".
Stolzer Partner der Pride Parade ist übrigens auch die Stadt Reykjavík, die jedes Jahr mit einer großen Gruppe an dem Umzug teilnimmt. Die Stadt erklärt, sie ist stolz auf ihre queeren Mitarbeiter.
Auch der Bürgermeister marschiert jedes Jahr mit, hier auf dem Bild läuft der amtierende Bürgermeister Einar Þorsteinsson neben seiner Frau, die den gemeinsamen Nachwuchs im Kinderwagen schiebt, und hält ein Plakat hoch: Der Kampf ist noch nicht vorbei, wir machen stolz weiter!
Mit dem Glockenschlag der Hallgrímskirkja um 14 Uhr setzte sich der Umzug in Bewegung.
Hier noch mal die Erinnerung: Keine Panik vor HIV-positiven Menschen. Heutzutage werden Betroffene mit entsprechenden Medikamenten behandelt, so dass von ihnen dann keinerlei Ansteckungsgefahr ausgeht!
Ich fand den Gleðiganga dieses Jahr politischer als sonst.
Hier eine Gruppe, die u.a. Schilder hoch halten mit der Forderung bzw. Feststellung "hinsegin flóttafólk á heima hér", "queere Flüchtlinge sind hier zu Hause".
Laut Medienberichten wurden etwa sieben Familien aus Venezuela, die seit ein bis zwei Jahren auf Island lebten, deren Asylanträge aber abgewiesen worden waren, am Tag der Pride Parade abends aus Island abgeschoben. Eine Gruppe von Venezolanern protestierte am Flughafen in Keflavík gegen die Abschiebung ihrer Landsleute.
Laut der Vorsitzenden des Ausschusses für Allgemeine Angelegenheiten wurden die betroffenen Menschen "ermuntert", freiwillig nach Venezuela zurückzukehren. In einer Pressemitteilung am Samstag teilte sie mit, dass der Anteil der Asylbewerber auf Island im Verhältnis zur Bevölkerung sehr hoch sei und es in den letzten Jahren Ziel der Regierung war, diesen Anteil zu senken.
Eine Zeitlang wurde Menschen aus Venezuela, die auf Island internationalen Schutz beantragten, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gewährt, eine entsprechende Entscheidung aus dem Jahr 2022 wurde jedoch 2023 wieder zurückgenommen. Die Einwanderungsbehörde wurde ermächtigt, Anträge von Menschen aus Venezuela auf internationalen Schutz mit der Begründung abzulehnen, dass sich die Situation in ihrem Heimatland verbessere. Seit Anfang 2024 schiebt Island abgelehnte Asylbewerber nach Venezuela ab.
Die Flüchtlinge aus Venezuela hatten sich entschieden, nach Island zu kommen, weil sie glaubten, hier sicher zu sein, zumal das Land keine diplomatischen Beziehungen zu Venezuela unterhält. Einzelne Betroffene des Flugs vom Samstagabend gaben isländischen Medien gegenüber an, sie hätten "freiwillig" die Bereitschaft zur Ausreise unterschrieben, weil ihnen andernfalls mit der Polizei gedroht worden sei. Die Einwanderungsbehörde ist der Auffassung, dass Abschiebungen in das südamerikanische Land trotz der Unruhen nach der Präsidentschaftswahl vom 28. Juli 2024 weiterhin als so sicher beurteilt werden kann, dass der Ausreise abgelehnter Asylbewerber nach Venezuela nichts entgegen steht; es dürfe keine Sonderregelung für Venezolaner geben.
Eine weitere Gruppe protestierte unter dem Motto "No Pride in Genozide" für Freiheit in Palästina. Viele Teilnahme der Parade trugen Palästinenser-Tücher. Teilweise wurde "Intifada" skandiert, wenn ich es richtig verstanden habe.
Amnesty International forderte Menschenrechte unter dem Motto "Human Rights are my Pride".
Schön, schrill, bunt und gewaltig - das Kostüm mit den weißen Federn brauchte immer wieder jemanden, der unterstützend eingriff. Sah aber sehr schön aus!
Der Gemeindepfarrer der Fríkirkja stand übrigens, wie jedes Jahr, wieder in vollem Ornat auf einem Tisch vor seiner Kirchentür, mit Blumenkette um den Hals und Fahnen in der Hand, und segnete eifrig und fröhlich den vorbeiziehenden Zug.
Ich habe hinterher noch mitbekommen, dass auch in der Hallgrímskirkja, der Gemeindekirche der isländischen Staatskirche (Íslenska þjóðkirkja) die Stufen zum Altar mit einer großen Regenbogenflagge geschmückt waren. Dazu die Erklärung auf dem Account der Kirche, dass die "hinsegin dagar" wichtig sind, sie machen "auf Ungleichheit und Gewalt aufmerksam und brechen das Schweigen". "Die Hallgrímskirkja unterstützt den Kampf für die Rechte der queeren Community". So eine Erklärung würde ich mir von den großen Kirchen in Deutschland auch wünschen!
Hier noch mal die Aufforderung zu mehr Zivilcourage: Wir unterstützen unsere queeren Freunde. Was ist mit dir?
Den Abschluss der Pride Parade 2004 bildete der Wagen mit der großen Hochzeitstorte, auf der Torte standen der bekannte isländische Sänger Páll Óskar und sein Ehemann Antonio. Die beiden sind seit März 2024 frisch verheiratet. Antonio war als Flüchtling aus Venezuela nach Island gekommen und Páll und er haben sich über eine Dating-App kennen gelernt und sich verliebt. Mit der Hochzeitstorte wollten sie auch feiern, in einem Land zu leben, wo sie heiraten können.
Páll sagte in einem Interview, er habe "eine Hochzeitstorte backen" wollen, um an die ersten Rechte zu erinnern, die queeren Menschen 1996 gewährt wurden, als Schwule und Lesben eine feste, staatlich anerkannte Beziehung eingehen durften. "Das waren die ersten Anzeichen dafür, dass wir keine Bürger zweiter Klasse waren", so Páll Óskar. "Die Hochzeitstorte bedeutet also vielen Menschen sehr viel."
Auf Island gab es seit 1996 die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare, die Reform der Ehegesetze erfolgte im Juni 2010. Das erste Paar, das von der gesetzlichen Neuregelung Gebrauch machte, waren übrigens die damalige isländische Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir und ihre Partnerin, die Schriftstellerin Jónina Leósdóttir. Zum Vergleich: In Deutschland gab es die eingetragene Partnerschaft erst seit 2001, seit Oktober 2017 die "Ehe für alle".
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