Das Riesenrad von Reykjavík
Die Idee von einem Riesenrad am Hafen von Reykjavík kam in den vergangenen Jahren immer mal wieder auf. Sie geht zurück auf eine Arbeitsgruppe der Stadt, bei der es um Ideen zur Verbesserung der Lebensqualität der Stadtbewohner ging und um die Möglichkeit, in der Nähe des Meeres besondere Outdoor-Aktivitäten anbieten zu können. Viele fanden die Idee "lustig", und unter teilweise der Prämisse, dass weder die Stadt noch der Hafen für die Kosten des Riesenrads aufkommen müsse, stimmte im September 2023 im Stadtparlament von Reykjavík eine Mehrheit für den Vorschlag des damaligen Bürgermeisters Dagur B. Eggertsson, eine Machbarkeitsstudie für ein Riesenrad auf Miðbakki in Auftrag zu geben.
Bei einer Umfrage im September 2023 fanden die Idee allerdings nur 34% der Bevölkerung die Idee gut, 42% der Menschen lehnten es ab, probeweise ein Riesenrad am alten Hafen in Reykjavík aufzustellen. Dabei fanden jüngere Befragte die Idee meist besser als ältere und die Menschen aus Reykjavík waren zu 46% gegen das Riesenrad, während in anderen Gebieten nur 35% dagegen waren.
Im März 2024 folgte die Ausschreibung des Projekts durch die Stadt Reykjavík, dabei sollte der potentielle Betreiber die gesamten Kosten für den Aufbau und den Betrieb des Riesenrads übernehmen, während die Stadt die Fläche am Hafen für eine bestimmte Zeit zur Verfügung stellen würde. Die Höhenbegrenzung für das Riesenrad lag bei rund 30 Metern, die Konstruktion muss "isländischen Bedingungen standhalten", einschließlich der Besonderheiten bei Wind und Wetter.
Auto der Firma Taylor's Tivoli (beim Volksfest in Selfoss) |
Der Vertrag geht bis September 2024, der Betreiber zahlt demnach monatlich 1 Mio. ISK (umgerechnet rd. 6.600 €) für die Nutzung des Geländes am Hafen, wo sich eigentlich eine Art Fahrrad-Parkour befindet.
Das Riesenrad sollte 32 Meter hoch sein und 24 Waggons haben, i.d.R. mit je 6 Sitzplätzen, es sollte aber auch einen Rollstuhlzugang anbieten. Rund 140 Menschen könnten also mitfahren, wenn alle Kabinen voll besetzt wären.
Das Riesenrad wurde in Einzelteilen nach Island verschifft und sollte ursprünglich Anfang Juni 2024 am Hafen auf Miðbakki aufgestellt werden, Mitte Juni konnte es tatsächlich aufgebaut werden und am Nationalfeiertag, dem 17. Juni 2024, dann in Betrieb genommen werden.
Der englische Begriff für ein Riesenrad, "Ferris Wheel", geht auf George Ferris zurück, den Erfinder des Riesenrads bei der Weltausstellung in Chicago 1893. Das damalige Ferris Wheel hatte eine Höhe von gut 80 Metern. Ein britischer Ingenieur kaufte Ferris dann das Patent für die Riesenräder ab und errichtete vier weitere Riesenräder in Europa. Das einzige dieser Räder, das heute noch steht, ist das Wiener Riesenrad im Prater mit einer Höhe von rund 64 Metern, das 1897 zur Feier des 50. Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph I. errichtet wurde.
Bekannt ist z.B. auch das London Eye, das 135 Meter hohe Riesenrad an der Themse, das im Jahr 2000 in Betrieb genommen wurde. Es gilt mittlerweile als eines der Wahrzeichen der britischen Hauptstadt.
Das isländische Wort für "Riesenrad", nämlich "Parísarhjól", das "Pariser Rad", geht zurück auf Riesenrad, dass anlässlich der Weltausstellung im Jahr 1900 in Paris errichtet wurde. Es war bis 1920 in Betrieb und war, mit 100 Metern Durchmesser, während seiner ganzen Betriebszeit das größte Riesenrad der Welt.
Das Riesenrad soll noch bis zum 15. September 2024 geöffnet sein, und zwar täglich von 12 bis 23 Uhr (vorbehaltlich wetterbedingter kurzfristiger Schließungen).
Preise
Der Preis für eine Fahrt mit dem Riesenrad in Reykjavík beträgt für einen Erwachsenen 3.000 ISK, das sind umgerechnet knapp 20 €, und für ein Kind unter 1,40 m 2.000 ISK (umgerechnet ca. 13,25 €). Für 4 Personen gibt es Rabatt, dann kostet die Fahrt für alle vier zusammen 10.000 ISK (gut 66 €).
Wenn man online auf der Website reykjavikwheel.is ein Ticket bucht, kostet es pro Person 500 ISK (rund 3,30 €) weniger.
Preisvergleich
Spaßeshalber habe ich mal im Internet gesucht, was eine Fahrt mit einem Riesenrad anderswo ungefähr kostet:
Beim London Eye kostet ein Ticket für Erwachsene im Vorverkauf lt. Homepage 29 Pfund, also rund 33 €, ansonsten liegt der Preis wohl bei 42 Pfund, d.h. 49 €. Für Kinder von 2 bis 15 Jahren ist das Ticket im Vorverkauf mit 26 Pfund bzw. regulär 38 Pfund etwas günstiger, Kinder unter 2 Jahren kosten noch nichts.
In Wien zahlt man wohl für 12 Minuten Fahrt mit dem historischen Riesenrad für einen Erwachsenen 14 € und für ein Kind 6,50 €.
Bei der Kirmes letztens in Frankfurt waren es, soweit ich es online gefunden habe, etwa 6 € pro Erwachsenen und 4 € pro Kind.
Reaktionen der Bevölkerung
In der ersten Woche nach Eröffnung des Riesenrads sind im Schnitt 150 Personen pro Tag mitgefahren. Wenn man bedenkt, dass bei voller Besetzung rund 140 Menschen mit dem Riesenrad fahren könnten, finde ich das nicht so sehr viel.
Bei einer Umfrage Ende Juni erklärte 15% der Isländer, schon einmal mit dem Riesenrad gefahren zu sein oder sich zumindest vorstellen zu können, noch damit zu fahren. Der jetzige Bürgermeister von Reykjavík, Einar Þorsteinsson, zeigte sich damit durchaus zufrieden - das wären schließlich fast 60.000 Menschen, die vielleicht mit dem Riesenrad fahren würden.
Tatsächlich bleiben die Besucherzahlen wohl hinter den Erwartungen von Stadt und Betreiber zurück. Es gab nicht viel Betrieb rund um das Riesenrad, wie auch Kane Taylor, der Inhaber der Betreiberfirma Taylor Tivoli Iceland ehf., bei einem Zeitungsinterview Ende Juli erklärte. Das liege aber auch am schlechten Wetter und der teilweise sehr negativen Publicity. Er habe auch noch diverse Marketing-Ideen, insbesondere wolle man mehr Einheimische für das Riesenrad begeistern, so gibt es mittlerweile über einen Telefonanbieter ein Angebot, bei dem man 2 Tickets zum Preis von einem kaufen kann. Taylor erklärte, er hoffe, die Maßnahmen zeigten künftig Wirkung und die Besucherzahlen verbesserten sich noch. Ende des Sommers werde Bilanz gezogen.
Auch die Stadt betont, dass es sich um ein Pilotprojekt handelt und Ende des Sommers entschieden werde, ob das Rad im kommenden Jahr wieder aufgebaut werde.
Als wir jetzt unter der Woche in Reykjavík waren, haben wir uns das Riesenrad auch einmal angeschaut. Ein paar Jugendliche spielten daneben Fußball, etliche Touristen liefen am Hafen entlang, aber beim Riesenrad war tatsächlich niemand, keine einzige Person fuhr mit dem Rad, obwohl es sich fleißig drehte.
Ehrlich gesagt - wir sind auch nicht mitgefahren.
Zum einen ist der Preis jetzt kein Schnäppchen, zum anderen hat mein Mann Höhenangst.
Ich hatte ja überlegt, einmal eine Runde zu drehen, um mal "von oben" aus immerhin rund 30 Metern Höhe auf Reykjavík und den Hausberg Esja zu schauen, aber irgendwie machte es mir einfach keine Lust, dieses komplett menschenleere Rad und dann noch die Lage am Hafen, gefühlt eingepferchten zwischen den neu gebauten, relativ hohen Häusern auf der einen und einem Kreuzfahrtschiff auf der anderen Seite. Dabei war das Kreuzfahrtschiff, das an dem Tag am Hafen lag, mit gut 500 Passagieren eines der kleineren Schiffe (die wirklich großen Kreuzfahrtschiffe legen nicht am "alten Hafen" in Miðbakki an, sondern etwas weiter außerhalb am "neuen" Hafen Skarfabakki, wo übrigens auch die Fähre nach Viðey startet). Aber 20 € ausgeben bzw. mit Nachwuchs (über 1,40 m) dann sogar fast 40 €, gefühlt nur um den Passagieren in ihre Kabinen und aufs Deck gucken zu können...?
Mir machte die Lage einfach keine Lust, mir fehlte die Weite, der Ausblick...
Ich bin ja mal gespannt, die das Fazit am Ende des Sommers bei der Stadt und beim Betreiber ausfallen wird, und ob das Pilotprojekt im nächsten Sommer eine Fortsetzung findet...
Als wir am Wochenende noch mal in der Stadt waren, dieses Mal bei windstillerem Wetter, war mehr Betrieb am Riesenrad, mindestens vier der Kabinen waren besetzt, eine sogar mit vier oder fünf Personen.
Man kann zu dem Riesenrad stehen, wie man will - es ist alles eine Frage der Perspektive!
Update:
Das Riesenrad wurde am Dienstag, den 10. September 2024, wieder abgebaut. Die letzte Fahrt war am Sonntag, den 08. September. An diesem Tag wurden die Fahrten zum halben Preis angeboten.
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