|
Forseti Íslands og við - der isländische Präsident und wir |
Zu Besuch beim Präsidenten
Wir hatten einen aufregenden Tag am Samstag!
In Reykjavík war Menningarnótt, also "Kulturnacht". Zu diesem Anlass war auch in der Residenz des Präsidenten Tag der offenen Tür:
Der isländische Präsident Guðni Th. Jóhannesson hat auf seinem Amtssitz in Bessastaðir alle interessierten Gäste persönlich empfangen. Knapp 1.300 Menschen kamen laut Pressemitteilung am Samstag beim Tag der offenen Tür zum Präsidenten - und zwei davon waren wir.
Mein Mann hatte im Programm der Menningarnótt gesehen, dass der Amtssitz des isländischen Präsidenten in Bessastaðir anlässlich der Kulturnacht am Samstag, den 20. August 2022, "für die Öffentlichkeit zugänglich ist und der Präsident die Gäste begrüßen wird und die Menschen einladen, den Ort von 13 bis 16 Uhr zu besichtigen". Da klang spannend, von außen hatten wir Bessastaðir schon gesehen, aber natürlich nicht von innen - ob man da wirklich einfach so reinkommt, ohne Voranmeldung, ohne alles, und dann vielleicht wirklich den Präsidenten von Island persönlich sieht..? Für uns als Deutsche eine abgefahrene Vorstellung... aber probieren wollten wir es auf jeden Fall!
Wir waren etwa gegen 14 Uhr mit dem Auto in Besssastaðir. Es war zwar viel Betrieb, aber alles lief in sehr geordneten Bahnen. Es gab keinen Stau und der Parkplatz war zwar sehr voll, aber nicht überfüllt.
Vielleicht 20 Menschen standen vor uns in der Schlange vor dem Hauptgebäude, wir haben also ein bisschen gewartet, aber nicht sehr lange, dann kamen wir schon an die Reihe. Und am Eingang zur Residenz stand der isländische Präsident höchstpersönlich, in seiner Strickjacke aus isländischer Wolle, und begrüßte alle Besucher.
Der Präsident hat jedem einzelnen Besucher die Hand geschüttelt, einen freundlich begrüßt, teilweise noch ein paar Worte gewechselt. Die meisten Besucher machten Selfies mit dem Präsidenten, teilweise sprang auch eine Mitarbeiterin ein, die mit dem Handy der Besucher dann die Erinnerungsfotos machte.
Der Präsident begrüßte uns auf Isländisch, mein Mann Markus hat ihn - auch auf Isländisch - gefragt, ob wir ein Foto mit ihm machen dürften, und er hat dann geduldig gewartet, während die Besucherin hinter uns in der Schlange, der Markus sein Handy in die Hand gedrückt hatte, mehrere Fotos von uns dreien macht.
Forseti Íslands og við -
der Präsident Islands und wir
Für uns war es ein echtes Erlebnis, einem Staatsoberhaupt so nahe kommen zu können, wirklich ein Politiker zum Anfassen - ohne Berührungsängste. Ich finde es absolut großartig, in einem Land zu sein, wo das einfach so möglich ist!
Nachdem der Präsident uns persönlich begrüßt hatte, gingen wir in seinen Amtssitz und wurden im Hauptgebäude von sehr freundlichen Mitarbeitern im Kreis durch die Residenz geleitet.
Die Geschichte von Bessastaðir
Bessastaðir liegt auf der Halbinsel Álftanes ("Schwanen-Halbinsel"), wenige Kilometer südwestlich von Reykjavík, und gehört mittlerweile zur Gemeinde Garðabær.
Der Ort wurde nach den archäologischen Funden, die man hier gemacht hat, bereits zur Landnahmezeit besiedelt, vermutlich in der 2. Hälfte des 10. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit hat man Überreste eines großen Hofes gefunden, mit mehreren Häusern, einer Speisekammer, einer Küche, Nebengebäuden und Gärten. Seitdem war die Gegend offenbar durchgehend bewohnt und bewirtschaftet. Einige Funde aus der Geschichte des Ortes kann man heute im Amtssitz des Präsidenten besichtigen - auf Initiative der damaligen isländischen Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir wurde 1994 nach Abschluss der Ausgrabungen im Keller der Residenz eine kleine Ausstellung eingerichtet (statt eines eigentlich geplanten Weinkellers). Alle hier ausgestellte Artefakte wurden vor Ort gefunden, darunter auch eine alte Kanone au dem 15. Jahrhundert, die bereits 1888 im Boden von Bessastaðir gefunden wurde. Ob die Kanone je zur Verteidigung gedacht war oder als Schenkung an die Krone ging, weiß man wohl nicht.
Im 13. Jahrhundert soll Bessastaðir Snorri Sturluson gehört haben, dem wohl bekanntesten isländischen Politiker, Dichter und Historiker seiner Zeit, der Hof soll von seinem Neffen bewirtschaftet worden sein. Nachdem Snorri von seinem eigenen Ex-Schwiegersohn und einigen anderen Männern wohl im Auftrag des norwegischen Königs 1241 ermordet wurde, fiel Snorris gesamter Besitz an den König - darunter auch der Grundbesitz in Bessastaðir. Der Hof gehörte zunächst dem norwegischen, später dem dänischen König.
Seit 1688 war Bessastaðir die offizielle Residenz des Vertreter des Königs, des Gerichtsvollziehers und des Bezirkskommissars, bis der Amtssitz nach Reykjavík verlegt wurde.
Im Jahr 1804 wurde in Bessastaðir die weiterführende Schule Islands eingerichtet, bis sie 1846 ebenfalls nach Reykjavík umzog. Im Jahr 1867 ging der Hof dann in Privatbesitz über - durch ein königliches Dekret wurde Bessastaðir gegen einen Landbesitz im Borgarfjörður eingetauscht.
Der letzte Eigentümer, der den Hof 1940 erworben hatte, schenkte den Besitz unter Auflagen 1941 dem isländischen Staat. Seit 1944 befindet sich hier der Sitz des Staatspräsidenten. Zunächst wurde es als Wohn- und Amtsgebäude des Präsident genutzt, 1989 wurde das Haus gründlich umgebaut und modernisiert, seit 1990 wird das Haupthaus ausschließlich als Amtssitz verwendet.
Bis 1968 wurde der Hof noch landwirtschaftlich bewirtschaftet.
Die heutigen Gebäude von Bessastaðir
Das heutige Hauptgebäude, Bessastaðastofa, wurde 1761 - 66 als offizielle Residenz für Magnús Gíslason erbau, da die früheren Gebäude des Hofes stark verfallen waren. Magnús war der erste Isländer, der vom dänischen König zum Amtmann für ganz Island ernannt wurde, also zum höchsten Verwaltungsbeamten der Insel. Den Grabstein für Magnús und seine Frau kann man heute noch in der Kirche von Bessastaðir besichtigen.
Das Gebäude wurde im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut, innen und außen. So wurde 1941 seitlich eine große Empfangshalle angebaut, die mit einem Wintergarten mit dem alten Haus verbunden wurde. Der Bau des Wintergarten geht wohl auf Georgía Björnsson, die Ehefrau des ersten isländischen Präsidenten Sveinn Björnsson (1881 - 1952), zurück. Hier mal der Blick aus dem Wintergarten aufs Meer.
Der Empfangssaal ist der größte Raum der Residenz und wird für offizielle Staatsempfänge genutzt.
Hier, wo sonst Staatsgäste empfangen werden, strömten dann am Samstag am Tag der offenen Tür alle Besucher hindurch, und konnten eigene Fotos machen - so wie wir!
An sich ja eine schöne Sitzgruppe - aber ob man sich mit seinem Staatsbesuch wirklich vor die Heizung setzt..? Aber vielleicht habe ich doch einfach sehr mitteleuropäische / deutsche Vorstellungen von repräsentativen Regierungssitzen für Staatsoberhäupter.
Neben dem großen Empfangssaal wurde 1968 noch die Bibliothek hinter dem offizielle Speisesaal des Hauses angebaut. Irgendwie erinnerten uns die Regale eher an Ikea, auch wenn sie mit den verkannteten Holzleisten darüber und zwischen eine persönliche Note hatten und perfekt an den Raum angepasst waren.
Hier mal ein Blick aus dem Esszimmerfenster...
Die Mitarbeiter des Präsidenten erzählten den Besuchern am Samstag mit viel Engagement über die Räumlichkeiten, ihre Geschichte und die Einrichtungsgegenstände. Was es mit diesen Wappen auf sich hatte, habe ich leider nicht verstanden, dafür reichte mein Isländisch nicht. Aber über die Treppe hier ging es hinunter in den Keller, zu der Ausstellung über die Funde zur Geschichte von Bessastaðir. Es konnten aber immer nur wenige Leute gleichzeitig in den Keller, aus Zeitgründen sind wir dann weitergegangen.
Hier im Büro konnten schon einmal kleine Wikinger ausprobieren, wie es sich auf dem Stuhl des Präsidenten so sitzt.
Hier standen auch die offiziellen, teilweise signierten Fotos der Staatsoberhäupter, die den isländischen Präsidenten besucht haben - auf der einen Seite die Monarchen, auf der anderen die gewählten Staatschefs. So war z.B. auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit seiner Frau im Juni 2019 auf Staatsbesuch hier in Bessastaðir.
Im Obergeschoss von Bessastaðastofa sind dann noch einige der offiziellen Gastgeschenke ausgestellten, die den verschiedenen isländischen Präsidenten im Laufe ihrer Amtszeit überreicht wurden und die zum Amt gehören, wie zum Beispiel...
... diese weiße Eulen-Statue, die 1986 vom US-Präsidenten der isländischen Präsidentin Vigdís Finnbogadóttir überreicht wurde, anlässlich des historischen Gipfeltreffens von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow in Höfði, dem Gästehaus in Reykjavík.
Schöne Ausblicke und gemütliche Sitzplätze gab es hier im Obergeschoss auf jeden Fall.
Das hier ist z.B. eine schöne Glas-Skulptur der neuen Kirche in Reykholt, die 1996 geweiht wurde - aber wie Kirche zu den Geschenken der Präsidenten gekommen ist, weiß ich leider nicht und habe spontan auch nichts dazu gefunden.
Hier haben sich noch drei isländische Weihnachtsmänner auf der Fensterbank eingeschlichen.
Zimmer mit Aussicht
Als wir nach unserem Rundgang durch das Haus wieder gingen, war die Schlange am Eingang deutlich kürzer geworden, zwischendurch hatte der Präsident sogar kurz Zeit gehabt, einen Kaffee o.ä. zu trinken. Aber Guðni war immer noch fleißig am Händeschütteln. Für uns war es ein wirklich besonderes Erlebnis, ein ganz persönliches Highlight, einem Staatspräsidenten einfach so so nahe kommen zu können!
Auf Hochglanz gewienert standen auch die offiziellen Dienstwagen des Präsidenten auf dem Hof, Auto #1 und Auto #2. Das erste Auto ist ein Packard, der 1942 für den ersten isländischen Präsidenten Sveinn Björnsson angeschafft wurde. Das zweite Auto müsste ein Cadillac Fleetwood, Baujahr 1982, sein, mit dem Vigdís Finnbogadóttir (Präsidentin von 1980 bis 1996) gerne unterwegs gewesen sein soll.
Bessastaðakirkja
Die Kirche von Bessastaðir ist eine Hofkirche, d.h. die Kirche gehört zum Hof und damit zum Amtssitz des Präsidenten. Auf dem Hof dürfte es bereits seit etwa 1.000 Jahren eine Kirche gegeben haben. Das heutige Kirchengebäude wurde ab 1773 um eine ältere Holzkirche herum gebaut. Der Bau wurde zwar erst 1823 mit Fertigstellung des Kirchturms abgeschlossen, die Weihe der Kirche war aber bereits 1796.
Die heutigen Buntglasfenster der Kirche stammen übrigens aus den 1950er Jahren: Der zweite Präsident Islands, Ásgeier Ásgeirsson (1894 - 1972), hatte sich die Fenster als Geschenk der isländischen Regierung zu seinem 60. Geburtstag 1954 gewünscht. Die Fenster wurden von dem isländischen Künstler Guðmundur Einarsson (1895 - 1963, bekannt als Guðmundur frá Miðdal und Vater des berühmten isländischen Pop-Art-Künstlers Erró) und dem isländischen Kunstmaler Finnur Jónsson (1892 - 1993) gestaltet. Die Fenster sind nicht unumstritten - sie gelten zwar als "wirklich sehr schöne Artefakte für sich", passen aber als Kunst der 50er Jahre nach Ansicht vieler Kunsthistoriker nicht unbedingt im Kontext der historischen Kirche von Bessastaðir.
Das Altarbild der Kirche "Christus heilt die Kranken" ist wohl unvollendet, es stammt vom isländischen Maler Muggur, Guðmundur Thorsteinsson (1891 - 1924), und gehört dem Listasafn Íslands, der isländischen Nationalgalerie, ist aber eine unbefristete Leihgabe an die Bessastaðakirkja.
Nach einem kurzen Besuch in der Kirche...
... und einem letzten Blick über den Friedhof aufs Meer hinaus ging es für uns wieder nach Reykjavík. Wir waren bei einer Freundin zu Kaffee und Kuchen eingeladen und wollten anschließend doch noch was von der Kulturnacht in der Stadt miterleben!