Eine wunderbare Gelegenheit dazu hatten wir jetzt im Januar 2023 - da waren wir in der Frankfurter Buchhandlung "Weltenleser" bei der Buchvorstellung des isländisches Autoren Arthúr Börgvin Bollason.
Arthúr Björgvin Bollason
Arthúr Bollason wurde 1950 in Island geboren und wuchs bei seinen Großeltern in Reykjavík auf. Er studierte in Deutschland und arbeitete erst als Lehrer, später als Journalist, Schriftsteller und Übersetzer. So übersetzte er z.B. Heine, Nietzsche und Schiller oder auch Richard David Precht ins Isländische, er arbeitete als Auslandskorrespondent und leitete auch einige Zeit das Saga-Zentrum in Hvolsvöllur. Bekannt sind seine deutschen Bücher über Island und über die isländischen Sagas, aber auch die Aufnahmen von 2011, in denen Arthúr auf 4 CD's an den Originalschauplätzen sehr anschaulich Island-Sagas erzählt (Njáls Saga und Laxdæla Saga). Im Juni 2022 erschien sein neues Buch "Lieblingsorte Island".
Unsere erste Begegnung vor über 10 Jahren
Wir haben Arthúr kennen gelernt, als Island 2011 Gastland der Frankfurter Buchmesse war, und Arthúr (der zu der Zeit mit seiner Familie in Frankfurt-Höchst lebte und in der Öffentlichkeitsarbeit bei Icelandair arbeitete) kümmerte sich um den Auftritt des Landes bei der Buchmesse - als "Reiseführer durch das literarische Island". Er organisierte bereits im Vorfeld etliche Lesungen, stellte andere isländische Autoren vor, holte isländische Künstler nach Frankfurt. Ich erinnere mich noch gut, wie er uns z.B. damals im Bolongaro-Palast in Höchst das erste Mal mit Island-Sagas vertraut gemacht hat...
In Deutschland kennt man Arthúr auch als den "nackten Autoren im Fluss" - in der Sendung "Druckfrisch" interviewte ihn 2008 Denis Scheck für die ARD, während Arthúr in Landmannalaugar im heißen Fluss lag und Herr Scheck zum Gespräch selbst in die heiße Quelle stieg, mit seinem guten Anzug, weißem Hemd und Schlips. (Das Video dazu kann man übrigens immer noch bei Youtube finden, glaube ich.)
Heißes Bad in Landmannalaugar - allerdings 2009 und ohne nackten Autoren und Herrn Scheck im Anzug |
Ich glaube, an unsrer Island-Liebe trägt tatsächlich Arthúr Bollason zu einem guten Teil eine Mitschuld, weil er so unglaublich gut erzählen kann - seine Stimme, sein isländischer Akzent, seine offensichtliche Leidenschaft für die Geschichten, die er erzählt, die Liebe zu der Natur und den Menschen, ihren Geschichten und all dien skurrilen Anekdoten, von denen er so anschaulich erzählt... hinterher ist er dann im Zweifelsfall bei einem völlig anderen Thema gelandet und es ist jedes Mal wieder ein wunderbares Erlebnis!
Lesung in der Buchhandlung Weltenleser
Angekündigt war der Vortrag in der Buchhandlung in Frankfurt eigentlich als "Lesung" - aber eigentlich war es mehr eine Erzählung, so wie ich es mir früher bei den Wikingern abends am Feuer im Langhaus vorstelle. Er hat immer ein paar Absätze aus seinen "Lieblingsorten" auf Island vorgelesen - und ist darüber ins Erzählen gekommen, wunderbar bildlich, anschaulich, voller Humor und Zuneigung und Spaß an der Freude.
Lieblingsorte bei Insel Taschenbuch
Im Insel-Verlag gibt es schon länger die Reise-Reihe "Lieblingsorte", in denen Autoren ihren Ort neu erkunden und mit "Heimvorteil" ihre persönlichen Lieblingsorte in ihrer Stadt vorstellen, versteckte Plätze, Parks, Restaurants und Cafés. In der Reihe gibt es bisher Städte wie Paris, Rom, Venedig, Wien, Barcelona, Amsterdam, Tel Aviv - und jetzt Reykjavík..?
Arthúr erzählt, als der Insel-Verlag an ihn herangetreten sei mit der Idee, er solle für diese Reihe über seine Lieblingsorte in Reykjavík schreiben, habe er zuerst direkt abgelehnt - Reykjavík ist zu klein dafür, bei aller Liebe, aber was soll er denn bitte über 60 Orte und Plätze in Reykjavík schreiben..?!? Schließlich leben auf Island etwa so viele Menschen wie in Bielefeld... Und so wurde es letztlich kein Buch über Lieblingsorte in Reykjavík, sondern über 60 Lieblingsorte auf ganz Island.
Eine persönliche Reise durch Island
Arthúrs Island-Reise beginnt (natürlich) in Reykjavík, tatsächlich sogar im ältesten Café der Stadt, dann geht es in den Park am Stadtteich Tjörnin, es gibt Pizza und Hummersuppe am Hafen, und man besucht mit Arthúr den Flohmarkt im ehemaligen Zollhaus, den Skulpturengarten neben der Hallsgrímskirkja oder den alten Friedhof Hólavallagarður.
Hier erzählt er z.B. von Guðrún Oddsdóttir Stephensen, dem ersten Menschen, der 1838 hier auf dem Friedhof begraben wurde.
In erster Ehe war Guðrún mit dem isländischen Juristen Stefán Stephensen (1767 - 1820) verheiratet - von Stefáns erster Frau Marta María Stephensen (1770 - 1805) habe ich hier im Blog schon erzählt, sie gilt nämlich als Autorin des ersten gedruckten isländischen Kochbuchs. Allerdings wird angenommen, dass in Wirklichkeit nicht Marta María, sondern ihr Schwager Magnús Stephensen das Kochbuch verfasst hat. Island ist einfach klein! Äh - wo war ich gerade..? Stimmt, bei Guðrún Oddsdóttir. Ihre Kinder aus erster Ehe waren alle jung gestorben und nach dem Tod ihres Mannes Stefán heiratete die Witwe dann Þórður Sveinbjörnsson (1786 - 1856), einen isländischen Richter, Politiker und Herausgeber der monatlichen Zeitschrift "Sunnanpósturinn". Nach Guðrúns Tod heiratete Þórður eine der schillerndsten Frauen Reykjavíks, die 27 Jahre jüngere Kristín Lauritzdóttir Knudsen, mit der er acht gemeinsame Kinder hatte.
Als 1838 der Friedhof als neuer Hauptfriedhof von Reykjavík geweiht wurde, fand sich aber zunächst niemand, der seinen Angehörigen hier beerdigen lassen wollte. Nach isländischer Tradition wird der erste Mensch, der auf einem neu geweihten Friedhof seine Ruhe findet, zum Wächter des Friedhofs. Er sei von der Verwesung befreit und müsse alle späteren Toten empfangen und auf Ewigkeit über den Friedhof wachen. Das wollte niemand seinen verstorbenen Angehörigen zumuten - warum sich dann Þórður bereit erklärte, seine verstorbene Frau Guðrún als erste auf dem neuen Friedhof beisetzen zu lassen, weiß ich nicht.
Bei Guðrúns Beerdigung im November 1838 sollen weit über 1.000 Menschen voller Neugier zum Grab gekommen sein - damals ungefähr die komplette Bevölkerung der Stadt Reykjavík. So hatte Gudrún auf jeden Fall eine Beerdigung, von der noch lange gesprochen wurde.
Arthúr erzählt auch, dass es auf dem Friedhof Hólavallagarður noch alte Zäune und Kreuze aus Eisen gibt, die das Bild des Friedhofs prägen - auf Island wurde dieser alte Grabschmuck nämlich nicht abgebaut und für Kriegswaffen eingeschmolzen, anders als an den meisten anderen Orten in Europa.
Friedhof Hólavallagarður von 1838 |
Von Reykjavík aus führt Arthúrs Buch dann in den Süden Islands, voller Natur und Landschaft und Geschichte und Geschichten, inklusiven einem Abstecher auf die Westmännerinseln. Im Westen entführt Arthúr seine Leser u.a. in das Landnahme-Zentrum in Borgarnes und in die Geschichten der Egilssaga und weiter dann bis in die Westfjorde und zum Fischessen in Ísafjörður und ans Ende der Welt ins Naturreservat Hornstrandir. Im Norden geht es in die Romantik der Berge - und ins Weihnachtshaus in Akureyri. Auch das "Bier-Bad" bei Dalvík wird vorgestellt. Im Osten geht es dann auch in Islands größten Wald...
In dem Buch gibt es viele ganz persönliche Lieblingsorte, anschauliche Anekdoten und auch ganz viele kulinarische Tipps rund um das ganze Land.
Gourmetlokal am Rande der Welt |
Wir haben den Abend mit Arthúr in der Buchhandlung "Weltenleser" in Frankfurt auf jede Fall rundum genossen!
P.S.:
Angeregt von dem Abend und der Lesung von Arthúr Bollason hatte ich, als Sabrina von Halló Ísland auf Instagram fragte, worüber sie im Februar schreiben könnte, als "Wunschthema" das Thema "Lieblingsorte" vorgeschlagen. Sabrinas ganz persönliche Lieblingsorte in Island könnt Ihr auf ihrem Blog nachlesen.
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