Von hohen Wasserfällen, spirituellen Geologen, isländischen Franzosen, einem kleinen "Auenland" und alten Wikingern...
Insgesamt sind wir auf dieser Tour etwa 160 km gefahren, reine Fahrzeit für eine Richtung vielleicht 1,5 Stunden. Aber die Straße hier sind ja auch nicht immer so, dass man mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durchbrettern möchte...
Háifoss
April 2023 |
Der Háifoss ist ein Wasserfall im Fluss Fossá í Þjórsárdal, einem Nebenfluss der Þjórsá. Die Fossá entspringt einem See im Hochland, bis zur Mündung in die Þjórsá ist der Fluss etwa 43 km lang. Nach rund 30 km teilt sich der Fluss und bildet zwei Arme - und das Wasser stürzt hier in zwei verschiedenen Wasserfällen in die Tiefe.
Hier auf dem Bild oben seht Ihr links den Háifoss (rechts der andere Wasserfall ist der Granni).
Lange Zeit galt der Háifoss als der zweithöchste Wasserfall Islands - mittlerweile geht man davon aus, dass er aber wohl nur der vierthöchste Wasserfall auf der Insel ist:
Der Wasserfall Glymur am Hvalfjörður mit einer Höhe von 196 Meter galt bis 2011 als der höchste Wasserfall Islands - allerdings wurden 2007 an den Klippen am Gletscher Morsárjökull Wasserfälle entdeckt und anschließende Messungen ergaben, dass der neu entdeckte Morsárfoss etwa 227 Meter hoch ist - und damit rund 30 Meter höher als der Glymur.
Außerdem haben neuere Messungen in den letzten Jahren ergeben, dass auch der Wasserfall Hengifoss in Ostisland offenbar höher ist als der Háifoss - bisher wurde die Fallhöhe am Hengifoss mit 118 Metern angegeben, tatsächlich sind es aber wohl 128 Meter. Damit hat der Hengifoss den Háifoss auf Platz 4 "vertrieben".
Aber egal, ob der Háifoss jetzt der zweit-, dritt- oder vierthöchste Wasserfall Islands ist - es ist auf jeden Fall wunderschön, wie sich das Wasser hier über die Steilkante des buntgestreiften Lavagesteins stürzt.
Ich habe gelesen, dass die oberen Lava-Schichten hier etwa 2 Mio. Jahre alt sein sollen, der vulkanische Tuffstein darunter sei noch älter, wurde aber wohl von eiszeitlichen Gletschern komprimiert und abgeschliffen.
Aber Vorsicht - bei Selfies unbedingt hinter sich schauen, die Klippen hier am Fluss sind wirklich steil und hoch!
Der Háifoss, in einer einsamen, unbesiedelten Gegend gelegen, war übrigens sehr lange Zeit völlig namenlos - erst 1912 bekam er seinen Namen Háifoss ("ein hoher Wasserfall") von dem isländischen Geologe Helgi Pjeturs (1872 - 1949). Helgi war wohl der erste Isländer, der in Geologie promovierte (1905). In seiner Doktorarbeit forschte er über die Geologie Islands, insbesondere über die Eiszeiten, und unternahm bis 1910 viele Forschungsreisen durch das Land. In der zweiten Hälfte seines Lebens wandte er sich dann spirituellen und okkulten Themen zu und schrieb hierzu ebenfalls zahlreiche Bücher.
Neben dem Háifoss liegt noch ein zweiter, kleinerer Wasserfall - dieser Wasserfall war ebenfalls lange namenslos und wurde dann von André Courmont schlicht "Granni" genannt - als Kurzform von "nágranna" (= "Nachbar"), weil der Granni schließlich der "Nachbar" vom Háifoss ist. Mit 101 Metern Höhe gehört der Granni übrigens auch zu den höchsten Wasserfällen Islands, auf Platz 6 aktuell, soweit ich weiß.
Ich finde es bemerkenswert: Da donnert das Wasser über die beiden Wasserfälle so mächtig in die Tiefe - und anschließend fließt die Fossá als so ein kleines, unauffälliges Flüsschen weiter durch das Tal...
Gjáin
Vom Háifoss sind wir über die Jeep-Piste zum Parkplatz am Wasserfall Gjáin gefahren, zu dem Parkplatz oberhalb der Klamm.
Der Name "Gjáin" bedeutet auf Isländisch "die Schlucht" und bezeichnet ein kleines Tal im großen Tal Þjórsárdalur, durch die Schlucht fließt der Fluss Rauðá mit zahlreichen kleinen Wasserfällen. Die Schlucht besteht aus Lava und Tuffstein, sie entstand vor etwa 3.200 Jahren. Der größte, bekannteste Wasserfall in diesem Tal ist der Gjárfoss í Gjánni,
Gjárfoss í Gjánni |
Als wir vom Parkplatz oben einen ersten Blick auf dieses kleine, grüne Tal hatten, so üppig bewachsen inmitten der deutlich kargeren Landschaft der Umgebung ringsum, war mein erster Gedanke: Das Auenland! Ich bin im Auenland gelandet!
Dazu dann noch diese kleinen, runden "Hobbit-Höhlen" unten am Fluss - und meine "Auenland-Illusion" war perfekt!
Na gut, diese Höhlen hier wurden früher wohl von Hirten genutzt, wenn sie hier von sehr schlechtem Wetter überrascht wurden - aber vielleicht war ja doch der eine oder andere kleine Hobbit dabei...
Und, stehe ich hier nicht quasi an den Säulen der Könige..? Na ja - so ähnlich zumindest!
Wunderschön ist es hier auf jeden Fall - und definitiv einen Besuch wert!
Während Mann und Kind noch am Wasserfall unterwegs waren, habe ich mich an dem Engelwurz (Angelica) erfreut, der hier überall so reichlich wächst - Engelwurz ist schließlich eine vielfältige, spannende Zutat in der isländischen Küche!
Letzter Stopp: Stöng
Auf besonderen Wunsch meinerseits haben wir dann noch einen letzten Stopp in Stöng gemacht, der Ausgrabungsstätte eines Hofes aus der Wikinger-Zeit, der etwa 500 m vom Wasserfall Gjáin entfernt liegt.
Das Tal Þjorsárdalur soll laut Landnahmebuch Ende des 9. Jahrhunderts von Þorbjörn laxakarl und seiner Familie besiedelt worden sein. Seine Nachkommen bewirtschafteten im Laufe der nächsten Jahrhunderte wohl mehrere Höfe hier in der Umgebung. Zu dieser Zeit war das Tal dicht besiedelt und ertragreich. Bis, ja, bis zum Herbst 1104...
Bei einem Vulkanausbruch 1104 verschüttet
Vermutlich im Herbst 1104 wurde das gesamte Tal beim Vulkanausbruch der Hekla von Asche bedeckt. Der pyroklastische Strom des Vulkans verschüttete die Höfe und der Hof Stöng wurde, wie die anderen Höfe der Umgebung, von den Bewohnern aufgegeben.
Bei diesem Ausbruch der Hekla 1104 soll halb Island von Asche bedeckt worden sein. Im Þjorsárdalur ging eine dicke Ascheschicht nieder. Der Ausbruch war für die Menschen so schrecklich, dass die Hekla fortan als "Tor zur Hölle" galt.
Ausgrabungen im Sommer 1939
Im Sommer 1939 wurden die Überreste des Hofes Stöng, zusammen mit denen mehrerer anderer Höfe aus dieser Zeit, von dänischen und isländischen Archäologen und anderen Wissenschaftlern freigelegt. Und während man die anderen Höfe nach den Ausgrabungen wieder zudeckte, ließ man die Ruinen von Stöng offen liegen, damit die Isländer sich anschauen konnten, wie ihre Vorfahren früher einmal gelebt hatten.
In Stöng hatte man bei den Grabungen 1939 die steinernen Fundamente eines Langhauses (mit Vorratskammer und Toilettenraum), einer Schmiede und eines Kuhstalls gefunden. Stöng ist eines der besterhaltenen Bauwerke Islands aus dem Mittelalter und daher von großer Bedeutung. Zudem ist der Hof auch eines der wenigen Beispiele der Holzbauweise, die von den Norwegen bei der Landnahme mit nach Island gebracht worden war - später musste diese Bauweise wegen Materialmangel aufgegeben werden, es gab kein Holz mehr, die Wikinger hatten (fast) alles abgeholzt.
Die Ruinen des Langhauses von Stöng wurde 1957 überdachtet, um sie vor Wind und Wetter zu schützen und so besser bewahren zu können.
Innenansicht (Herbst 2021) |
Bei Ausgrabungen 1992/93 fand man nahe dem Langhaus noch Überreste einer kleinen Kirche, die aus derselben Zeit wie das Langhaus stammt.
Wie der Hof seinerzeit vermutlich mal ausgesehen hat, kann man sich in der Nähe beim Hof Þjóðveldisbær anschauen - der Hof stellt eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion von Stöng dar, mit den drei Gebäuden, dem Langhaus, der Stube und der kleinen Kirche dabei. Mit dem Nachbau wurde 1974 anlässlich der 1100-Jahr-Feier der Besiedlung Islands begonnen, das Langhaus wurde 1977 fertiggestellt. Die kleine Kirchen wurde im Jahr 2000 errichtet.
Rekonstruktion des Hofes (Herbst 2021) |
Im Sommer 2023 sollte die Überdachung der Ausgrabungsstätte teilweise erneuert und eine neue Aussichtsplattform für die Besucher am östlichen Ende des Langhauses gebaut werden. Bei den Arbeiten fand man, im Rahmen archäologischer Untersuchungen, die Grundmauern eines weiteren Gebäudes, direkt am östlichen Ende des bereits ausgegrabenen Langhauses.
Als wir Ende Juli 2023 dort waren, war Stöng wegen der laufenden Arbeiten geschlossen. Aber wir konnten einen kurzen Blick auf die aktuelle Grabung werfen. Für mich ein echtes Highlight!
Die neue Besucherplattform kommt jetzt übrigens auf die andere Seite, hinter das Haus...
Ab nach Hause
Von Stöng aus sind wir dann über die Straße 327 (Stangarvegur) zurück nach Hause gefahren. Die Straße ist eigentlich nur eine Art Jeep-Piste, die auch nicht ganzjährig befahrbar ist. Ich finde, man bekommt hier schon ein gewisses "Hochland-Feeling". Spätestens wenn man, bei so trockenem Wetter wie im Moment, schon kilometerweit an der Staubwolke sieht, wenn einem ein Auto entgegen kommt...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen