Dienstag, 3. Juli 2018

Hannesarholt

Kulinarisches Kulturzentrum der besonderen Art


Kann Spuren von Werbung enthalten.*

Man muss es eigentlich schon wissen, dass sich in diesem Haus in der Grundarstígur 10 im Herzen von Reykjavík ein Restaurant verbirgt, sonst würde man daran vorbeilaufen - also, ich zumindest. Allerdings kannte ich, als ich im Frühjahr 2017 das erste Mal bewusst an dem Haus vorbei lief, schon die Instagram-Seite von "Hannesarholt" mit den schönen, verlockend aussehenden Essensbildern und den Bildern von den verschiedenen Kultur-Events, also sagte mir der Name etwas und ich bin umgedreht.


"Matur, menning, fundir og ráðstefnur í sögufrægu húsi", also "Essen, Kultur, Begegnungen und Konferenzen in einem historischen Haus", unter diesem Motto steht "Hannesarholt". Fangen wir mit dem Essen an! 

Wir waren Samstagabend zum Essen eingeladen. Und wir wurden wirklich sehr herzlich begrüßt, zu unserem Tisch gebracht und bekamen als Empfang erst einmal ein Glas Sekt. 


Als Vorspeise hatten wir uns entschieden für "Rauðrófuskífur með valhnetum, piparrótakremi, balsamíc edíki og geitaosti", also Rote-Bete-Carpaccio mit Walnüssen, Meerrettich-Creme, Balsamico-Essig und Ziegenkäse. Ganz im Ernst - es hat einfach nur genial geschmeckt und ich habe noch nie so lecker Rote Bete gegessen!


Als Hauptgericht hatte ich mich für Forelle entschieden, für "Pönnusteiktur silungur með pikkluðum eplum og lauk, tómatconfit, brokkálsmælki, sætum kartöflum og spínatfroðu". Übersetzt ist das in der Pfanne gebratene Forelle, mit eingelegten Äpfeln und Zwiebeln, geschmorten Tomaten, Brokkoliröschen, Süßkartoffel und Spinatschaum. Sehr lecker - und allein die Farbe vom Spinatschaum macht mir schon gute Laune. 


Mein Mann hatte sich für den Tofu entschieden - etwas, womit ich ihn sonst vermutlich nicht hinter dem Ofen hervorlocken könnte. Aber wenn man schon reist, sollte man ja auch etwas Neues ausprobieren - vor allem, wenn es  lecker und farbenfroh aussieht!

Das hier war also "Vegan marinerað tof með blaðsalati, strengjabaunum, blómskáli, brókkálssmælki, sætum kartöflum og pistasíuhnetum" - veganer marinierter Tofu mit einem "Strunk" Romana-Salat, Stangenbohnen, Blumenkohl, Brokkoliröschen, Süßkartoffel und Pistazien. Richtig lecker und geschmacksintensiv und ein echter Genuss! Ganz besonders hat mir übrigens die Süßkartoffel geschmeckt - am Stück, richtig groß, außen butterweich, innen perfekt auf den Punkt gegart. So liebe ich Süßkartoffeln wirklich. 


Eigentlich waren wir nach der Vorspeise und dem Hauptgericht schon ausgesprochen satt, aber wenigstens ein bisschen von den Desserts mussten wir ja doch probieren! Also bekamen wir ein "heimagerður banana- og berjaís", also ein hausgemachtes Bananen-Beeren-Eis. 


Und wir bekamen etwas von dem "bökuð ostakaka með hindberjaþaki", also gebackener Käsekuchen mit getrockneten Himbeerstücken oben drauf und Beerensauce. Der Käsekuchen war noch etwas warm, unten kräftig, in der Mitte weich und cremig, außen knusprig, und dazu die getrockneten Beerenstücke und die kalte Beerensauce - mein absolutes Highlight an diesem Abend, genau mein Geschmack, in den Käsekuchen hätte ich mich reinlegen mögen! 


Während des gesamten Essens hatten wir übrigens Klavierbegleitung - im Nachbarzimmer spielte ein älterer Herr am Klavier. Ich verstehe viel zu wenig von Musik, aber "Que sera, sera" habe selbst ich erkannt. (Hinterher bekamen wir übrigens erzählt, dass der ältere Herr früher Architekt war und jetzt ein leidenschaftlicher Klavierspieler ist.) Ich glaube, ich habe wirklich sehr selten so stilvoll gespeist! 


Von unserem Platz aus hatten wir übrigens einen direkten Blick in die Küche, wo unter tatkräftiger Mithilfe der kleinen Tochter des Kochs, glaube ich, sehr eifrig gearbeitet wurde. Wenn die Küchentür geschlossen war, konnte man das Türglas bewundern - wunderschön, gerade mit der Beleuchtung! 


Überhaupt war das ganze Restaurant unglaublich schön und liebevoll eingerichtet, so dass ich mich gleich richtig wohl fühlte! 


Nach dem Essen führte uns die Besitzerin noch durch das Haus. Das ganze Projekt steht unter dem Motto "a place to remember our roots", also ein Ort, wo die Isländer sich an ihre Wurzeln erinnern können. 

Es ist nämlich ein sehr geschichtsträchtiges Haus:

Das Haus "Hannesarholt" wurde 1915 für Hannes Hafstein (1861 - 1922) und seine Familie gebaut. Hannes Hafstein war von 1904 bis 1909 der erste isländische Premierminister (zweite Amtszeit von 1912 bis 1914) und hat sich sehr für die Rechte Islands und auch die Frauenrechte in Island eingesetzt. Außerdem war er in Island ein sehr bekannter Schriftsteller und Lyriker. 


Nach einem Brand in Reykjavík setzte er sich für ein Verbot von neuen Holzhäusern in der Stadt ein - "Hannesarholt" war eines der ersten Häuser aus Beton, die damals in Reykjavík gebaut wurden. Er lebte hier nach dem Tod seiner Frau Ragnheiður (1871 - 1913) mit seinen sieben Kindern, seiner Mutter und seiner Schwiegermutter. 

Büste von Regnheiður Hafstein über dem Kamin


Im ausgebauten Dachgeschoss des Hauses findet sich heute viel Platz, auch zum Spielen für junge Besucher. 


Die jetzige Besitzerin hat das Haus erworben, als es zum Verkauf stand, um diesen Teil der isländischen Geschichte bewahren zu können und die Isländer daran zu erinnern, wo sie herkommen. Als Hannes Hafstein geboren wurde, lebten die meisten Menschen noch in traditionellen Grassodenhäusern, Reykjavík war ein Dorf und hatte noch nicht einmal 7.000 Einwohner (heute: rund 200.000 Menschen). 

Hannesarholt ist auch eine Begegnungsstätte für ganz unterschiedliche Menschen, hier stellen z.B. regelmäßig wechselnde Künstler verschiedenster Stilrichtungen aus, Musiker treten auf, Gesprächskreise werden veranstaltet etc. 

Was hier so unscheinbar aussieht wie ein grüner Hügel neben dem Haus, ist übrigens ein Konzert- und Veranstaltungssaal, der von einem gemeinnützigen Verein errichtet und unterhalten wird. Die Woche, bevor wir da waren, ist übrigens Svavar Knútur hier aufgetreten, der isländische "Troubadour", den wir letzten Herbst in Dresden erleben konnten. Schade, den hatten wir jetzt leider verpasst! 


Im Überblick:

Die Abendkarte ist kurz, aber sehr gut. Als wir da waren, gab es drei Vorspeisen zur Auswahl (geräucherte Forelle, Rote-Bete-Carpaccio und veganen Hummus), bei den Hauptgerichten hatten wir die Wahl zwischen Forelle und Kabeljau, Lamm und veganem Tofu, zum Nachtisch konnte man zwischen Käsekuchen und hausgemachtem Eis wählen. 

Eine Vorspeise kostet im Schnitt gut 1.800 ISK, also ca. 14,50 € (Stand Juni 2018). Die Hauptgerichte liegen durchschnittlich bei 3.850 ISK, d.h. gut 30 €. Für ein Dessert zahlt man hier im Schnitt 1.640 ISK, also rund 13 €. Uns fiel auf, dass die anderen Gäste um uns herum auch alle Vorspeise, Hauptspeise und Nachtisch nahmen. Man liegt also bei knapp 60 € pro Person - plus Getränke. Dafür bekommt man aber auch sehr gutes, interessantes, hochwertiges Essen in einem ganz besonderen Ambiente geboten. 



* Rechtlicher Hinweis: 

Es handelt sich hierbei formal gesehen um Werbung, da wir zum Essen eingeladen wurden. Wir waren aber nur in Restaurants und Lokalen, von denen wir vorher Gutes gehört hatten und die wir - aus den verschiedensten Gründen - spannend fanden. Insoweit waren wir auch ehrlich begeistert und wenn wir in Lobeshymnen ausbrechen, sind die wirklich ernst gemeint.


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