Samstag, 20. November 2021

Zu Besuch beim 47. Kölner Island-Kolloquium

der deutsch-isländischen Gesellschaft am 13. November 2021


Die deutsch-isländische Gesellschaft e.V., Köln (DIG) wurde 1955 gegründet als Verein für Deutsche, die sich für Island, diese "einzigartige Insel im Norden", interessieren, und für in Deutschland lebende Isländer. Die DIG will die Freundschaft beider Völker und das gegenseitige Kennenlernen fördern. 

Seit 1971 veranstaltet der Verein in der Regel einmal im Jahr das "Kölner Island-Kolloquium" (KIK). Hierbei tragen jeweils vier Referenten vor zu "allen denkbaren Themen, die mit Island oder den deutsch-isländischen Beziehungen zu tun haben".

Wir waren 2019 das erste Mal beim Island-Kolloquium - und fanden es sehr spannend, mal so ganz andere Blickwinkel auf Island zu erleben, auf die wir sonst nie gekommen wären! Letztes Jahr musste die Veranstaltung wegen Corona ausfallen, aber dieses Jahr konnte das 47. Kolloquium stattfinden, natürlich unter Auflagen und mit entsprechendem Hygiene-Konzept. 


Das Kolloquium fand wieder in den Räumen der Fritz-Thyssen-Stiftung beim Apostelnkloster in Köln statt. Es war ein großer Saal und vormittags waren laut Ansage 39 Gäste anwesend, nachmittags dann vielleicht ein paar mehr. Mit FFP2-Masken und reichlich Abstand konnte die Veranstaltung durchgeführt werden.


Die Themen des Kölner Island-Kolloquium waren diesmal die Beziehungen der deutschen Hansekaufleute zu Island im 15. und 16. Jahrhundert, die Geschichte des Islandhundes, außerdem ging es um eine textile Gestaltung der Saga von Grettir dem Starken und um ungewöhnliche Island-Reisen




"Zwischen Nordsee und Nordmeer"

Der erste Vortrag beschäftigte sich mit den Handelsbeziehungen zwischen Kaufleuten der deutschen Hanse und Island im 15. und 16. Jahrhundert - der Vortragende, Dr. Bart Holterman, hat zu genau dem Thema "Zwischen Nordsee und Nordmeer: interdisziplinäre Studien zur Hanse" promoviert. Tatsächlich hatte ich mich mit diesem Thema noch nie bewusst befasst, auch wenn ich schon öfter von ausländischen Handelsstützpunkten auf Island und Beschränkungen durch die dänische Krone gehört habe. Aber es war wirklich spannend, jetzt einmal etwas dazu erzählt zu bekommen!

Soweit ich es verstanden habe, erlaubte die dänische Krone ausländischen Kaufleute früher grundsätzlich keinen direkten Handel mit Island. Vielmehr wurde der isländische Trockenfisch im 15. Jahrhundert von Island aus nach Bergen verschifft, dort von dänischen Kaufleuten umgeschlagen, die daran entsprechend verdienten, und dann durften die anderen Hanse-Kaufleute dort einkaufen und weiter verschiffen. 
Sjóminjasafn, 2016

Da die englischen Kaufleute nicht in der Hanse waren, ließen sie sich von den dänischen Sanktionen allerdings nicht unbedingt abschrecken, und so wird das 15. Jahrhundert auf Island auch das "englische Jahrhundert" genannt, da hier die Engländer den Handel mit dem Trockenfisch dominierten. Um den Einfluss der Engländer zurückzudrängen, erlaubte der dänische König dann norddeutschen Hanse-Kaufleuten, an bestimmten Orten auf Island Handel zu treiben, zumindest zwischen Mai und September.

Letztlich führte es dazu, dass die deutschen Kaufleute auf Island dann zunehmend die Rolle übernahmen, die vorher die englischen Kaufleute hatten - so dass das 16. Jahrhundert auf Island dann auch das "deutsche Jahrhundert" genannt wird. Damit war der dänische König allerdings auch nicht glücklich - und führte 1602 das dänische Handelsmonopol auf der Insel ein. Damit waren dann auch die Zeiten der deutschen Hanse auf Island vorbei...

Im 16. Jahrhundert wurden den deutschen Hansekaufleuten von der dänischen Krone i.d.R. zeitlich auf drei Jahre befristet die Erlaubnis zum Handel an einem bestimmten Ort erteilt. Wobei die Bauern, die zum Handelsort kamen, aus verschiedenen Höfen in einem größeren Gebiet stammten, und so faktisch die Wahl zwischen verschiedenen Handelsorten hatten. Und teilweise waren auch die Kaufleute kreativ - so beantragte z.B. ein Kaufmann, der für die Gemeinde Helgafellssveit keine Erlaubnis bekommen hatte, ein Erlaub für den Ort Stykkishólmur. Woher sollten die Verwaltungsbeamten in Kopenhagen auch wissen, dass Stykkishólmur eigentlich nur ein Hof in der Gemeinde Helgafellssveit war! 

Die Schwierigkeit dabei war auch noch, dass der Handel im Grunde auf Kredit erfolgte - die deutschen Kaufleute fuhren im Frühjahr los, kamen dann im Mai auf Island an und verkauften ihre Waren dann an die Bauern aus der Umgebung des Ortes, an dem sie Handel treiben durften. Dafür mussten die Bauern dann im nächsten Jahr, wenn die Hansekaufleute wieder kamen, mit dem Trockenfisch bezahlen, den sie dann über den Winter getrocknet hatten. 

Trockenfisch auf Reykjanes, 2012

Es war übrigens praktisch nur Trockenfisch - max. 5% des Handels betraf Salzfisch, weil es im 15. und 16. Jahrhundert einfach viel zu wenig Salz auf Island gab, um im größeren Stil Fische durch Einsalzen haltbar zu machen. Der Salzfisch, den es gab, führte wohl auch immer wieder zu Beschwerden, die Qualität war wohl meist relativ schlecht, weil am Salz gespart wurde. (Womit wir dann wieder direkt bei isländische Küche waren - also genau mein Thema!)  

Ich musste bei dem Vortrag an das Untere Handelszentrum Neðstikaupstaður in Ísafjörður denken, das im 15. Jahrhundert von englischen Kaufleuten errichtet wurde und im 16. Jahrhundert dann von deutschen Händlern übernommen wurde, bevor 1602 das dänische Handelsmonopols eingeführt wurde. Die alten Gebäude, die hier heute noch stehen, stammen allerdings erst von dänischen Kaufleuten aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. 



Íslenskur fjárhundur - Islandhund

Im zweiten Vortrag stellte dann die Journalistin und Autorin Angelika Hoffmann den Islandhund, auch Islandspitz genannt, vor. Mit ihrem Islandpferd und ihrem heißgeliebten Hund "Eyvindur frá Dyrgjadóttir" lebt sie heute in einem kleinen Dorf an der Elbe. Auf den Hund gekommen war sie seinerzeit durch die Islandpferde. 

Der Islandhund hat eine Widerrist-Höhe von etwa 45 cm, die Hunde haben dreieckig, aufrecht stehende Ohren mit steifen Kanten. Die Rute ist hoch angesetzt und über dem Rücken geringelt. Und eine Besonderheit: Der Islandhund hat, als eine von ganz wenigen Hunderassen, zwei Wolfskrallen an seinen Hinterläufen. 

Die Hunde kamen im 9. Jahrhundert mit den ersten Wikingern nach Island.

Nachbau vom Wikinger-Hof Stöng, Herbst 2021

Die Hunde entwickelten sich im Laufe der Zeit vom Jagdhund zu einem Treib- und Hütehund. Sie wurden beim Hüten und Treiben der Pferde und Schafe eingesetzt, sollten aber auch die Lämmer vor Vogelangriffen schützen sowie den aufgehängten Trockenfisch gegen Vögel verteidigen. Wichtig war, dass sie Fremde, die auf den Hof kamen, lautstarken melden sollte, aber eigentlich auf keinen Fall beißen durften. Für die Kinder war der Hofhund außerdem oft ein treuer Spielkamerad, der als Wärmeflasche teilweise auch mit im Bett schlafen durfte. 

Viele Islandhunde haben auch dichte, weiche Unterwolle, die ausgebürstet und früher dann zum Stricken von schön weicher Baby-Bekleidung verwendet wurde.

Im 19. Jahrhundert wurde der Bestand der Islandhunde insbesondere durch die Hundestaupe um über 75% reduziert, später wurden die Hunde dann von anderen, importierten Hunderassen verdrängt.

Dass es heute noch Islandhunde gibt, ist vermutlich ganz besonders dem englischen Adligen Mark Watson (1860 - 1979) zu verdanken. Bereits bei seiner ersten Reise nach Island in den 1930er Jahren verliebte er sich in ganz besonderer Weise in Land, Leute und Tiere. Als Archäologe hat er sich auch sehr um die Rekonstruktion des Hofes Glaumbær und die Errichtung des Freilichtmuseums 1948 verdient gemacht. 

Torfhof Glaumbær, altes Foto aus dem dortigen Museum

Watson suchte in den 50er Jahren auf isolierten Farmen in den entlegensten Tälern und Fjorden acht reinrassige Islandhunde, und begründet mit diesen Tieren ein Zuchtprogramm auf Island sowie auf seiner eigenen Ranch in Kalifornien. Im Prinzip ist der Bestand an Islandhunde, der heutzutage bei rund 4.000 Tieren liegt, auf diese 8 Islandhunde damals zurückzuführen. 

Die Tiere zeichnen sich heute noch durch eine große Bellfreudigkeit und ausgeprägte Beißhemmung aus. Sie brauchen viel Bewegung, müssen gefordert und haben durchaus ihren eigenen Kopf. 

Tja, wieder etwas Neues gelernt - war ein wirklich spannender Vortrag! (Ich ärgere mich nur ein wenig, dass wir tatsächlich bei mittlerweile über 25 Island-Reisen offenbar kein Foto von einem Islandhund haben, mit dem ich diesen Blogbeitrag hier bebildern könnte...)


Das Projekt Grettir - eine Tragödie in Textil 

Den dritten Vortrag hielt dann Gudrun M. H. Kloes. Sie stammt aus Rheinhessen und lebt schon seit 1982 auf Island, arbeitet u.a. als Autorin, Übersetzerin und Verlegerin. Ich kannte sie bisher als Autorin von "Island - Das Kochbuch". 

Von 2016 bis 2019 hat Gudrun Kloes 10 Bildteppiche in Applikationstechnik erstellt, die ihre Sicht auf die Saga von Grettir Ásmundarson interpretieren. Auf Island erzählt sie die Sage ihren Zuhörern anhand der Teppiche, beim Island-Kolloquium in Köln hatte sie einen Bildteppich zur Anschauung dabei, die anderen Bildteppiche wurden als Bilder gezeigt. 

Grettir Ásmundarson wuchs im 11. Jahrhundert auf dem Hof Bjarg in Miðförður auf, einem Nebenfjord des Húnaflói in Nordwestisland in der Nähe des Ortes Hvammstangi. Der Hof wird heute noch bewirtschaftet. Da Gudrun Kloes lange in Laugarbakki mit Blick auf den Hof Bjarg gelebt hat, hat sie eine besondere Beziehung zu genau dieser Island-Saga entwickelt. 

Die Grettis saga beginnt (natürlich) mit der Familiengeschichte Grettirs, hier mit seinem Urgroßvater Önundur Ófeigsson, auch als Önundur tréfótur (= Önundur Holzbein) bekannt. Önundur war Norweger und hatte 872 in der Schlacht am Hafrsfjord gegen den ersten norwegischen König Harald Schönhaar ein Bein verloren. Nach der verlorenen Schlacht ging Önundur zunächst auf die Hebriden, bevor er dann (sein Verhältnis zum norwegischen König war wohl immer noch nicht das Beste) komplett nach Island auswanderte. Im Landnahmebuch wird Önundur als Siedler in der Region Strandasýsla in den Westfjorden erwähnt. Die Grettis saga lobt Önundur als den wackersten und flinksten einbeinigen Mann Islands. 

In zweiter Ehe war Önundur mit Þórdís Þorgrímsdóttir verheiratet, mit der er sich in Miðfjörður niederließ. Ihr gemeinsamer Sohn war Þorgrímur Önundarson Hærukoll, der für seine schönen Haare gerühmt wurde. Dessen Sohn Ásmundur Þorgrímsson war in zweiter Ehe mit Ásdís Bárðardóttir verheiratet. Die beiden hatten fünf gemeinsame Kinder, den ältesten Sohn Atli, der langsam, aber sehr sanft, bescheiden und freundlich und bei allen beliebt war, die beiden Töchter hießen Þórðís und Rannveig, der zweite Sohn war Grettir und das jüngste Kind war der Sohn Illugi. 

Grettir war auffällig groß und stark, mit roten Haaren und Sommersprossen. Dazu war er am liebsten sehr faul, zu sehr mäßigen Begeisterung seines Vaters. Mit 14 Jahren erschlug Grettir auf eine Reise beim Streit um einen Proviantbeutel seinen ersten Mann und wurde in die Verbannung geschickt. Später fuhr der junge Grettir nach Norwegen, wo der König Olav II. Haraldsson (995 - 1030) starke Männer um sich scharte. Allerdings passiert dann, als Grettir Feuer holen wollte, ein Unglück, und das Haus, in dem er das Feuer holte, brannte mit allen Leuten darin komplett nieder. 

Brandszene aus der Grettis saga,
als Wandteppich interpretiert von Gudrun Kloes

Dabei kamen auch die beiden Söhne eines sehr einflussreichen Isländers ums Leben und deren Vater sorgte dann dafür, dass Grettir für 20 Jahre zum Gesetzlosen erklärt wurde. 

Im 19. Jahr seiner Verbannung zog sich Grettir dann auf die unbewohnte Insel Drangey im Skagafjörður zurück. Seine Mutter Ásdís gab ihm seinen jüngeren Bruder Illugi als Begleitung mit, obwohl sie wusste, dass sie beide Söhne nicht mehr lebend wiedersehen würde. 

Schließlich schaffte es Þorbjörn Þórðarson, ein bekannter Unruhestifter, nach mehreren erfolglosen Anschlagsversuchen auf Grettir dann mit Hilfe seiner zauberkundigen Ziehmutter, einen verzauberten Baumstamm nach Drangey zu schicken, den Grettirs ahnungsloser Knecht dann als Feuerholz an Land zog. Als Grettir den Stamm kleinhacken wollte, fuhr ihm die Axt ins Bein, die Wunder entzündete sich und er siechte dahin, bis es schließlich Þorbjörn gelang, sich auf die Insel zu schleichen, als der Knecht vergessen hatte, die Strickleiter zum Strand hochzuziehen, und er tötete Grettir und auch dessen Bruder Illugi. Schließlich tötete er auch noch den Knecht, als dieser ihm lästig wurde. 

Grettirs älterer Halbbruder Þorsteinn, der in Norwegen aufgewachsen war, rächte dann schließlich Grettirs Tod, er folgte Þorbjörn Þórðarson bis zur Palastwache nach Konstantinopel, wo er ihn tötete, dafür aber dann selbst im Gefängnis landete. Durch seinen schönen Gesang lockte er dann eine reiche, verheiratete Frau namens Spes an, deren Mann dafür sorgte, dass Þorsteinn aus dem Gefängnis kam. Zum Schluss pilgerten Þorsteinn und Spes nach Rom und bekamen vom Papst Absolution. (Insgesamt ist die Grettis saga also eine ziemlich lange, sehr isländische und sehr komplizierte Familiengeschichte.)

Gudrun Kloes illustrierte ihren Vortrag anhand von Fotos ihrer Bildteppich sowie sehr anschaulich durch liebevoll und detailliert ausgestaltete Puppen vom einbeinigen Önundur, dem Sohn mit den schönen Haaren und Grettir Mutter Ásdís.



"Anders reisen: 10 Jahre Island-Projekte"

Nach Island reisen kann fast jeder. Aber nicht jeder kann oder mag so "anders reisen" wie Uwe Reimann. Wir kennen Uwe aus einem Island-Forum und von den dortigen Forumstreffen. Beim Kolloquium in Köln hatte er jetzt in mehreren Kurzfilmen verschiedene seiner Island-Projekte vorgestellt: 

Die Hochzeitreise 2010 führte Uwe und seine Frau mit dem Mustang nach Island, wobei Uwes knallgelber Mustanz noch zum Star der Autotage in Akureyri wurde. In seinem Film "Achtsam (8sam) in Island" zeigt Uwe die ersten Drohnen-Aufnahmen mit einem Oktokopter auf Island 2011. Im August 2013 bereisten Uwe und seine Frau dann mit Uwes Eltern das isländische Hochland (wir Zuschauer haben definitiv den Mut von Uwes Eltern bewundert, die sich so bereitwillig auch auf sehr ungewohnte Straßenverhältnisse eingelassen haben!). Auch über seine Teilnahme am Laugavagur Ultra-Marathon im Juli 2014 berichtete Uwe mit einem Kurzfilm (er hat die 55 km lange Strecke beim Ultra-Marathon übrigens in sehr beachtlichen 7 Stunden und 28 Minuten geschafft). Außerdem berichtete Uwe über eine Besteigung der Herðubreið im August 2016 - und über seine Rundreise mit einem Elektro-Motorrad im Sommer 2018. Uwe war übrigens der erste, der Island mit dem Elektromotorrad bereiste - sogar das isländische Fernsehen berichtete damals über ihn!

Auf seiner Homepage www.uwereimann.de kann man Genaueres über Uwes Reisen nachlesen und sich auch den Film mit dem Oktokopter anschauen. 


Spaziergang durch Köln 

In der Mittagspause zwischen den Vorträgen haben wir die Zeit genutzt und sind ein wenig durch Köln gelaufen, bis zum Dom, wo gerade der große Weihnachtsbaum aufgebaut und geschmückt wurde. 


Der Weihnachtsmarkt hier am Dom soll am 22. November 2021, am Montag nach Totensonntag, als 2G-Veranstaltung (nur für Geimpfte und Genese) eröffnen. Ist ja noch ein bisschen Zeit bis dahin...


In diesem Sinne dann - noch viele Grüße von uns aus Köln! 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen