Sonntag, 15. Dezember 2019

Kæst skata með hnoðmör

Gammelrochen mit Knetfett


Das typische Essen in Island für den 23. Dezember, den Tag des Heiligen Þorlákur, das bei der Þorláksmessa gegessen wird, ist kæst skata, also Gammelrochen mit Knetfett. Es ist das stinkendste Essen, was mir persönlich je begegnet ist, und sogar manche Isländer sagen, das gibt es extra am 23., damit einem dann an Weihnachten alles großartig vorkommt, was die Hausfrau einem vorsetzt, egal, wie es schmeckt. Aber wahrscheinlich kann man sich mit der Zeit auch an den Geschmack von Gammelrochen gewöhnen.

Für den kæst skata verwendet man in der Regel Sternrochen. Da der Rochen keine Harnblase besitzt, sondern - wie alle Plattenkiemer - seinen Harnstoff im Blut anreichert, ist der Sternrochen nur für den menschlichen Verzehr geeignet, wenn er mindestens 4 Wochen fermentiert wurde. Der Geruch ist aber auch dann noch - überwältigend

Zu dem Gammelrochen isst man traditionell gekochte Kartoffeln, frisch gebackenes isländisches Roggenbrot, als Rúgbrauð, und - und da wird es wieder kritisch - Knetfett oder auch Eingeweidefett. Dieses Fett, "hnoðmör" oder auch "mörflot" genannt, ist eine sehr typisch isländische Spezialität, die ursprünglich wohl aus den Westfjorden stammt, sich mittlerweile aber in ganz Island verbreitet hat.


Für das "hnoðmör" wird das Fett möglichst unversehrt vom Magen des frisch geschlachteten Schafes abgetrennt. Das Fett wird dann geknetet und zu "Knödeln" geformt, die man über Nacht noch etwas fester werden lässt. Am nächsten Tag werden die "Knödel" einzeln in Stoffstücke aus Leinen oder Gaze gewickelt und draußen an einem möglichst windigen, aber gleichzeitig einigermaßen regengeschützten Ort aufgehängt. Das Ganze lässt man dann für 6 bis 8 Wochen in den Beuteln hängen, bis das Fett schön blau-grün und haarig geworden ist. Falls es dann draußen schon zu kalt ist und das Fett nicht pelzig genug wird, holt man es noch mal für 2, 3 Tage in die Küche, um es "nachreifen" zu lassen. Anschließend wird das blau-grüne, pelzig-haarige Fett kleingehackt, gut durchgeknetet, portionsweise für Würfeln geformt und dann kühl aufbewahrt.

Früher wurden in den Westfjorden in die fertigen Knetfett-Stücke noch auf der eine Seite ein Andreas-Kreuz eingeritzt, wohl ein religiöser, magischer Brauch, eine Art "Schutzzeichen" vor bösen Geistern. Man sagt, damit sollte verhindert werden, dass der Teufel in das Knetfett hineinfährt...

Das Knetfett hat kalt übrigens einen sehr intensiven Geruch, man könnte auch sagen, es stinkt, sogar wenn es tiefgekühlt aufbewahrt wird. Erwärmt riecht es aber längst nicht mehr so schlimm und ist selbst für ungeübte Gaumen vielleicht nicht direkt ein Genuss, aber zumindest nicht aktiv schlimm. Der Geruch des Gammelrochens ist dagegen viel, viel schlimmer...

Bei der Zubereitung dieses Gerichts sollte man auch an seine Mitmenschen denken - wenn möglich, sollte man es nicht unbedingt in einer kleinen Küche in einem großen Mietshaus ohne wirkliche Lüftungsmöglichkeiten kochen und beim Kochen unbedingt auf Durchzug achten. Manche empfehlen, es auf dem Campingkocher hinter der Garage zuzubereiten... Und wenn man statt ungesalzenem Wasser lieber gesalzenes Wasser zum Kochen des Rochens verwendet, mildert das Salz wohl etwas die Wucht des Geruchs und des Geschmacks.

Zu kæst skata serviert man traditionell gekochter Kartoffeln und frisches Roggenbrot.


Zubereitung

Den Gammelrochen in kochendes, ungesalzenes Wasser geben und so lange köcheln lassen, bis sich das Fleisch vom Knorpel löst.


Derweil die Kartoffeln kochen, das Knetfett auslassen und das Rúgbrauð in Scheiben schneiden und das Essen dann direkt servieren.


Guten Appetit - ist zumindest mal eine ganz eigene, vorweihnachtliche Erfahrung! 



P.S.: Reste-Essen

Falls, also falls etwas von dem Essen am 23. Dezember abends übrig geblieben sein sollte, kann man daraus für den nächsten Morgen noch ein typisch isländisches Frühstück zubereiten, nämlich "skötustappa": 

Das Fischfleisch nach dem Essen mit den gekochten Kartoffeln, dem geschmolzenen Knetfett und etwas Salz zu einem dicken Brei zerstampfen, den Brei gut auskühlen lassen und über Nacht im Kühlschrank aufbewahren (unbedingt in einer luftdicht abgeschlossenen Dose o.ä.!). 

Am nächsten Morgen dann das Roggenbrot in schöne dicke Scheiben schneiden, mit Butter bestreichen und das "skötostappa" aufs Brot schmieren - das perfekte Frühstück für ein Weihnachtsfest in den isländischen Westfjorden! 




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