Bitesized Iceland - mundgerechtes Island
Ich liebe es, eine Stadt kulinarisch zu erkunden - auch (und gerade), wenn ich die Stadt eigentlich schon ganz gut kenne. Im Sommer 2016 hatte ich schon einmal an einer kulinarischen Stadtführung von "
Reykjavík Food Walk" teilgenommen, und im Herbst 2021 noch einmal zusammen mit meinem Mann an einem "
Food Walk" durch die Innenstadt von Reykjavík.
Dieses Mal hatte ich mir von meinem Mann gewünscht, wieder an einem kulinarischen Event teilzunehmen, und schließlich hatten wir über die Vermittlungsseite "Get Your Guide" die "Old Harbour Food and Walking Tour" gebucht, eine Food Tour im Alten Hafen, einfach weil uns das Angebot ansprach:
Eine Stadtführung durch die Innenstadt hatten wir ja schon mal, die "süße Nachkatzen-Tour" passte von den angebotenen Terminen nicht, und von einer Destillerie-Tour hätte ich nicht viel, ich mag keinen Alkohol. Aber Grandi, das alte Hafengebiet der Stadt, kennen wir schon ein bisschen, auch und gerade mit den vielfältigen kulinarischen Angeboten, die sich hier in den letzten Jahren entwickelt haben. Das klang spannend, also haben wir uns dafür entschieden!
Die Tour kostet aktuell pro Erwachsenen 16.900 ISK, wir haben also 111 € für jeden von uns gezahlt. Dabei gab es wirklich reichlich zu essen und wir sind bei der Tour auf sehr angenehme Art sehr satt geworden. Bei dem Angebot wird auch extra darauf hingewiesen, dass es sich nicht nur um eine Verkostung handelt, sondern man so viel essen kann, dass man hinterher nicht noch einmal essen gehen muss - das können wir restlos bestätigen! Bei dem Preis ist also wirklich ein komplettes Essen mit Getränken abgedeckt. Wenn man bedenkt, dass man hier schon für einen Burger mit Pommes in einem ganz einfachen Restaurant rund 20 € zahlt und für Vorspeise, Hauptgericht und Dessert mit einem Bier in einem guten Mittelklasse-Restaurant schon rund 11.000 ISK, d.h. mehr als 70 €, dann ist der Preis für die Food Tour wirklich fair - zumal es wirklich viel und ganz Verschiedenes zu Essen gibt.
Die Tour ist auf Kleingruppen ausgelegt. Als wir dabei waren, haben außer uns noch 5 andere Leute teilgenommen, ein junges Ehepaar und eine 3-köpfige Familie, alle aus den USA. Grundsätzlich sind wohl maximal 8 Teilnehmer pro Tour vorgesehen. Die Tour findet auf Englisch statt.
Anbieter der Tour ist
Bite-Sized Iceland, also "mundgerechtes Island".
Dahinter steht Sabrina, eine Amerikanerin, die seit über 20 Jahren mit einem Isländer verheiratet ist. Zunächst hatten sie mit ihren Kinder lange in Dänemark gewohnt, seit einigen Jahren leben sie jetzt in Island. Dieses Jahr hat Sabrina sich jetzt mit ihrem eigenen Unternehmen selbständig gemacht.
Da sie selber Einwanderin ist, hat Sabrina einen anderen Blick auf das Leben und die kulinarischen Traditionen auf Island als Menschen, die ganz selbstverständlich mit Lebensmitteln wie Gammelfisch, Schafskopf oder saurer Molke aufgewachsen sind, andererseits erlebt sie hier durch ihre isländische Familie und wohl auch ganz besonders durch ihre isländische Schwiegermutter den kulinarischen Alltag. Sie ist damit die ideale Besetzung, um ausländischen Besuchern ihre jetzige Heimat Island "mundgerecht zu servieren" und einen Einblick in die isländische Kultur, die Besonderheiten und das Essen hier zu geben. Man merkt ihr die Begeisterung und das Interesse für isländisches Essen wirklich an!
Treffpunkt der Tour sollte lt. Beschreibung eigentlich bei einer Bäckerei in der Mýragata sein, in der Nähe vom Saga Museum und dem Restaurant
Matur og Drykkur, da die Bäckerei aber mittlerweile umgezogen ist, haben wir uns bei einem Hotel dort getroffen.
Da die Tour nicht nur eine Food Tour, sondern auch eine Walking Tour ist, hat Sabrina mit uns auch einen kleinen Spaziergang gemacht und dabei ganz viel vom alltäglichen Leben hier in Reykjavík vermittelt. Wie leben die Isländer, warum lieben sie bunte Häuser, welche Geschichten stecken hinter den vielen Graffitis hier und hinter den kleinen Wellblechhäusern? Und wie feiern Isländer Silvester - und was hat das große Schiff der Rettungsmannschaften damit zu tun?
Das alles und noch viel mehr hat uns Sabrina "im Vorbeigehen" anschaulich und mit viel Liebe zum Detail und ihren persönlichen Eindrücken beim Spaziergang durch das Viertel am Alten Hafen erklärt.
Unser erster kulinarischer Stopp war eine kleine Bäckerei, wo es den isländischsten Kuchen überhaupt zum Probieren gab: Hjónabandssæla, also "Eheglück" oder auf Englisch den "Happy Marriage Cake". Während wir gemütlich gegessen haben, gab Sabrina uns einen Einblick in die isländische Kuchen- und Gebäcktradition.
Nach dem ganz traditionellen Gebäck ging es dann mit moderner isländischer Küche weiter - es gab Lammfleisch. Lammfleisch, Skyr und Fladenbrot sind traditionelle isländische Nahrungsmittel, die hier seit der Landnahme im 9. Jahrhundert die Esskultur auf der Insel geprägt haben. Hier werden diese traditionellen Lebensmittel aber mit überlieferten Zubereitungsmethoden aus dem Nahen Osten verbunden und es entsteht eine Art "Fusion Küche". Definitiv sehr lecker!
Anschließend sind wir noch in einem traditionellen Lokal am Hafen eingekehrt. Gegründet 1935, ist es damit wohl das älteste immer noch in Betrieb befindliche Restaurant Islands. Seit fast 50 Jahren befindet es sich in dem heutigen Gebäude. Früher kehrten hier vor allem hungrige Fischer und Arbeiter aus den Fischfabriken hier am Hafen ein, oft nach ihrer Schicht. Und da die meisten Besucher den ganzen Tag im Fisch gearbeitet hatten, standen damals vor allem einfache und billige Fleischgerichte auf der Speisekarte, z.B. svið (= gesengter Schafskopf) mit Kartoffeln und Rüben.
Heute hat sich die Kundschaft gewandelt, die alten Fischfabriken hier gibt es nicht mehr - und so stehen heute vor allem Fischgerichte hier auf der Speisekarte.
Bei unserer Food Tour bekamen wir hier eine Auswahl typisch isländischer Fischgerichte serviert. Zuerst gab es eine kleine Portion Fischsuppe, dann wurden mehrere große Pfannen auf den Tisch gestellt, aus denen sich alle bedienen konnten. Es gab an diesem Tag plokkfiskur mit rúgbrauð, also Stampffisch mit dem süßlichen, weichen isländischen Roggenbrot, gebratenen Fisch mit Kartoffeln und fiskibollur, also Fischfrikadellen, mit Zwiebeln.
Sabrina erzählte, dass es früher - noch gar nicht so lange her, als ihr Mann noch Kind war - hier auf Island oft üblich war, sich 5 Tage die Woche von Fisch und Kartoffeln zu ernähren, mal frischen Fisch und frisch gekochte Kartoffeln und dann am nächsten Tag die Reste zu
plokkfiskur verarbeitet. Sonntags gab es dann vielleicht auch mal Kartoffeln mit Fleisch, frisches Gemüse, Obst oder Salat war Mangelware. Man musste halt nehmen, was es gab, und davon die Familie satt bekommen. Die ältere Senioren-Generation lebt und kocht heute teilweise immer noch so, die Jüngere freuen sich aber auch über die Abwechslung, die heute auf dem Speiseplan möglich ist.
Es gab sogar noch einen Einblick in die isländische Pub-Kultur, in der ältesten noch in Betrieb befindlichen Brauerei Islands am historischen Hafen konnten wir lokales Bier probieren bzw. alkoholfreie Cocktails.
Auf alten Fotos an den Wänden kann man sich anschauen, wie diese Räumlichkeiten hier früher aussahen, als hier noch in großem Stil Fisch verarbeitet wurde.
Zwischendurch hat Sabrina uns auch immer wieder Einblick in den kulinarischen Alltag hier gegeben - wo kaufen Isländer zum Beispiel ein, wenn es bei Einladungen, zum Geburtstag, Konfirmation oder zu einer Feier mal etwas wirklich Gutes geben soll? Bei den Preisen hier (z.B. Lammfilet für 11.490 ISK/kg, d.h. gut 75 €) nichts für den Alltag - aber definitiv lohnend für besondere Gelegenheiten!
Außerdem hatte sie noch
zahlreiche Kostproben für uns in ihrem Rucksack dabei, von Lakritz-Schokolade zum Backen bis zu Trockenfisch mit Butter, und immer eine schöne Geschichte dazu, von Egill Skallagrímsson, einem isländischen Saga-Held aus dem 10. Jahrhundert, bis zu Johan Bülow, dem Dänen, der 2007 seine eigene Lakritz-Manufaktur gründete - inspiriert natürlich von der isländischen Lakritz-Schokolade!
Unsere Tour fand ihren
Abschluss beim Eis-Essen bei Valdís in Grandi - und natürlich erzählte Sabrina auch noch von der Leidenschaft der Isländer für Speiseeis, bei Wind und Wetter, und natürlich auch von der typisch isländischen
Ísbíltúr.
Wir haben unsere Food Tour mit Sabrina am Alten Hafen von Reykjavík auf jeden Fall sehr genossen, sind auf sehr angenehme Weise sehr satt geworden und hatten eine wirklich sehr kurzweilige, unterhaltsame Tour!
Takk fyrir!
P.S.:
Das ist keine Werbung - alles selbst bezahlt. Wir waren einfach nur begeistert von Sabrina und ihrer Food Tour!