Þórður Tómasson (1921 - 2022)
Ich habe es heute online beim Morgunblaðið gelesen:
Þórður Tómasson, der Gründer und langjährige Leiter des Museums in Skógar, ist gestern am 27.01.2022 im Alter von 100 Jahren in Selfoss gestorben.
Vom Bauernsohn bis zum Ehrendoktor
Seine Eltern, Tómas Þórðarson (1886 - 1976) und Kristín Magnúsdóttir (1887 - 1975) hatten einen Hof westlich des Gletschers Eyjafjallajökull. Þórður wurde am 28.04.1921 geboren, er war das zweite von vier Kindern der Familie. Er machte seine mittlere Reife 1941 in Reykjavík und kehrte dann zu verschiedenen Jobs nach Hause zurück.
Gründung des Museums in Skógar 1949
Schon als Kind interessierte Þórður sich für Geschichte und alte Alltagsgegenstände und sammelte begeistert alles, was er bekommen konnte.
Im Dezember 1949 gründete er das Regionalmuseum in Skógar, das Skógasafn.
Das Museum zwar zunächst in der Schule in Skógar untergebracht, bevor es in den 50er Jahren sein erstes eigenes Gebäude bekam. Seine private Sammlung überführte Þórður nach der Gründung des Museums in dessen Bestände.
Mittlerweile besteht das Museum in Skógar aus drei Teilen:
Das Volkskundemuseum findet man - neben alten Handschriften und Büchern - eine Vielzahl von Gegenständen aus vergangenen Zeiten aus der Region, sowohl aus der Landwirtschaft als auch vom Fischfang und ganz normale Möbel und Einrichtungsgegenstände, aber auch Alltagsdinge wie z.B. Schlittschuh-Kufen, die aus Schafsknochen geschnitzt worden waren.
Auch das Ruderboot Pétursey kann man im Museum besichtigen - und erfährt auch etwas über die 17 Mann starke Besatzung. Das Boot wurde 1855 von südisländischen Bauern in Eigenregie erbaut und war als Fischerboot im Einsatz. Die Bauern (zunächst von den Westmännerinseln, später vom Festland) verdienten sich so in der "Nebensaison" im Winter und Frühling vor den Küsten mit dem Fang von Kabeljau einen Nebenverdienst, weil sie mit ihren Höfen nicht mehr genug für die Familie erwirtschaften konnten. Von 1910 bis 1946 war die Pétursey noch vor Vík im Einsatz.
Im Freilichtmuseum kann man auf dem großen Außengelände des Museums viele Häuser aus verschiedenen Epochen der isländischen Geschichte besichtigen, darunter traditionelle Grassoden-Häuser, das erste Holzhaus der Region, das 1878 übrigens komplett aus Treibholz gebaut wurde, oder auch die Grundschule von Litli-Hvammur von 1901, die 1999/2000 im Museum Skógar rekonstruiert wurde.
Die Kirche im Museum Skógar wurde 1998 geweiht - im Grunde ein "Neubau", aber die Einzelteile stammen aus den verschiedensten alten Kirchen - so sind z.B. die Kirchenfenster von 1898 und stammen aus der Grafarkirkja. Eine der Glocken von ca. 1600 stammt aus Höfðabekka, die andere Glocke ist von 1742 aus Skaftártunga. Das Altarbild von 1786 stammt aus der alten Kirche in Ásólfsskáli. Auch die Einrichtungsgegenstände sind alle aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert.
Außerdem gibt es seit 2002 noch das Verkehrs- und Technik-Museum, in dem die Geschichte und Entwicklung von Verkehr, Kommunikation und Technoligien in Island im 19. und 20. Jahrhundert gezeigt wird, vom Arbeitspferd bis zur digitalen Kommunikation.
Meine Söhne waren z.B. ganz begeistert von den alten Telefonen - sowas kannten sie überhaupt nicht mehr! Sie erinnern sich heute noch daran...
Wir haben Þórður das erste Mal auf unserer ersten Island-Reise im Juli 2004 erlebt:
Damals kamen wir um 10 vor 6 abends am Skógasafn an und mussten feststellen, dass das Museum um 18 Uhr schloss. Es lohnt sich also nicht mehr, noch Eintrittskarten zu kaufen und in das Museum zu gehen. Aber wenigstens einen kurzen Blick auf die alten Häuser wollten wir doch noch werfen!
Und dabei liefen wir dann Þórður über den Weg, der mit einem mächtigen Schlüsselbund mit großen Schlüsseln daran seine letzte Runde für diesen Tag zog und die Häuser abschloss. Er verwickelte uns gleich ganz begeistert in ein Gespräch, fragte, wo wir her kämen und wo wir hin wollten, und ließ es sich nicht nehmen, uns wenigstens ganz kurz ein ganz klein bisschen was zu erzählen und hier, das musste er uns doch unbedingt noch zeigen..! Es war herrlich, diese kleine spontane Privatführung.
Seine Begeisterung war einfach ansteckend und mitreißend! Eine absolut beeindruckende Persönlichkeit. Und er konnte vielen Menschen ganz persönliche Momente vermitteln, an die sie sich ein Leben lang erinnerten - eine ganz besondere Gabe.
Wenn ich an Þórður denke, sehe ich ihn immer noch an der geöffneten Kirchentür stehen und uns nachschauen, während wir - mittlerweile war es bestimmt schon Viertel nach 6 - zu unserem Auto zurückgingen.
Þórður Tómasson leitete das Museum in Skógar als Kurator bis er im Jahr 2013 im Alter von 92 Jahren in Pension ging.
Neben seine Arbeit als Leiter des Museums in Skógar forschte er auch zur isländischen Geschichte und Überlieferung, setzte sich für die Bewahrung von historischen Funden ein und veröffentlichte seine Forschungsergebnisse aus der isländischen Geschichte und dem Alltagsleben und den Überlieferungen der Menschen. Bereits 1997 wurde Þórður für seine Verdienste zum Ehrendoktor der Universität von Island ernannt.
Þórður blieb dem Museum auch nach seiner Pensionierung weiterhin eng verbunden und führte immer noch gelegentlich Besuchergruppen durch sein Museum, oder man traf ihn an einem der Musikinstrumente im Museum, wo er interessierten Zuhörern eine Kostprobe gab. So spielte er hier einer Gruppe von Deutschen "Stille Nacht, Heilige Nacht" vor.
Am Donnerstag, den 27. Januar 2022, ist Þórður Tómasson im Alter von 100 Jahren in der Gesundheitseinrichtung Heilbrigisstofnun Suðurlands in Selfoss verstorben.
Die Beerdigung findet auf Þórðurs ausdrücklichen Wunsch in aller Stille statt, er wird ca. 18 km von Skógar entfernt auf dem Friedhof in Ásólfsskáli begraben, wo er auch viele Jahre als Organist tätig war.
Vielen Dank für viele ganz besondere Island-Momente!
100 Jahre ist ein stolzes Alter, mein Beileid;(
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