Gestrandeter Wal bei Þorlákshöfn
Für uns geht unsere Zeit auf Island für dieses Mal wieder zu Ende... Für mich ging es sogar schon letzte Woche zu Ende, mit dem Ende der Schulferien, mein Mann konnte noch ein bisschen länger bleiben. Aber jetzt muss er auch langsam zurück...
Dafür haben die letzten Tag noch ein ganz besonderes Erlebnis für ihn bereit gehalten: Am Mittwoch wurde bei Þorlákshöfn ein toter Wal an den Strand getrieben. Wenn ich schon nicht hin kann - dann wenigstens mein Mann!
Auf Isländisch gibt es das Wort "
hvalreki", das sowohl wörtlich "
gestrandeter Wal" bedeutet als auch im übertragenen Sinne so viel wie "
gefundenes Fressen". Früher galt nämlich, dass der Bauer, auf dessen Strandabschnitt ein Wal strandete, ein gemachte Mann war und für die nächsten Jahre ausgesorgt hatte: Mit ordentlich gefüllten Vorratskammern voller sauer eingelegtem Walfleisch, neuen Seile aus der Haut des Tieres, neuen Schaufeln, Schalen und Nadeln aus den Knochen und aus dem sog. Blubber eines großen Wales konnte man bis zu 5 Tonnen Tran herstellen - was im brennstoffarmen Island einen wirklich beträchtlichen Reichtum darstellte.
Wenn einem also ganz unerwartet ein großes Glück in den Schoß fiel... Hvalreki! Wal gehabt!
Heutzutage werden angeschwemmte Wal-Kadaver allerdings auch in Island nicht mehr ausgeschlachtet, sondern man lässt sie meist am Strand liegen und verrotten, wie z.B. dieses Tier hier, das 2017 bei der Strandarkirkja von Selvogur angeschwemmt wurde. Teilweise gräbt man die Tiere aber auch am Strand ein.
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Bild vom Juni 2017 |
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Bild vom Oktober 2017 |
Das Tier hier bei Þorlákshöfn wurde jetzt am Mittwoch (27.10.2021) angetrieben. Seinem Zustand nach war der Wal noch nicht lange tot, offensichtlich war alles noch sehr "frisch". Äußerlich waren lt. Medienberichten wohl keine Verletzungen erkennbar, der Wal sei allerdings auffällig mager gewesen.
Das Tier wurde dann am Strand teilweise tief eingeschnitten, damit die entstehenden Gase entweichen können und es nicht unvermutet plötzlich explodiert.
Vorsicht - die folgenden Bilder sind nicht unbedingt etwas für empfindliche Seelen.
Es ist schon recht drastisch und es ist nun einmal ein riesiges totes Tiere mit Gedärmen, Innereien und anderen Organen, die man sehr deutlich erkennen kann.
Hier sieht man alles noch ganz frisch - man erkennt außer dem Geschlecht des Tieres übrigens auch noch sehr gut den sogenannten Blubber, die etliche Zentimeter dicke weiße Fettschicht unter der Haut, die das Tier im kalten Gewässer vor der Kälte schützt.
Ein Biologe des isländischen Meeresforschungsinstituts, der gleich am Mittwoch vor Ort war, geht davon aus, dass es sich bei dem toten Tier um einen kleinen Vertreter der gefährdeten Finnwale handelt. Teilweise war in den Medien allerdings auch davon die Rede, dass es sich auch um einen der stark gefährdeten Seiwal handeln könnte.
Beide Walarten gehören zur Familie der Bartenwale, da sie im Oberkiefer anstelle von Zähnen spezielle Hornplatten (sog. Barten) haben. Sie nehmen mit offenem Mund eine große Menge Wasser auf, dann klappen sie ihren Kiefer wieder zu und drücken das Wasser mit der Zunge durch die Barten nach außen. Die im Wasser enthaltenen Kleintiere und das Plankton bleiben dabei in den borstigen Barten hängen und der Wal kann sie dann hinunterschlucken.
Die Barten (hier rechts im Bild gut erkennbar) fühlen sich übrigens ausgesprochen borstig an - sagt mein Mann.
Seiwale sind etwas kleiner als Finnwale, sie erreichen eine durchschnittliche Länge von 12 bis 16 Metern und ein Gewicht von etwa 25 Tonnen. Ausgewachsene männliche Finnwale sind 18 bis 24 Meter lang, weibliche Tiere sogar noch etwas größer. Männliche und weibliche Finnwale wiegen im Schnitt um die 55 Tonnen. Seiwale werden mit etwa 10 Jahren geschlechtsreif, sind aber erst mit bis zu 25 Jahren wirklich ausgewachsen; ihre Lebenserwartung wird mit etwa 75 Jahren angegeben. Auch Finnwale werden mit etwa 6 bis 10 Jahren geschlechtsreif, bevor sie ausgewachsen sind. Finnwale können bis zu 90 Jahren alt werden, es wurden sogar schon Finnwale gefunden, die über 100 und einmal sogar gut 130 Jahre alt geworden waren.
Das Tier, das jetzt am Mittwoch tot bei Þorlákshöfn angeschwemmt wurde, ist etwa 14 bis 16 Meter lang - ganz grob geschätzt, es ist irgendwie schwierig zu schätzen, wie lang das Tier ist / war, wenn man ihn da so tot vor sich liegen hat. (Gerade noch gelesen - der Biologe des isländischen Meeresforschungsinstituts, der das Tier am Mittwoch begutachtet hat, hat es auf knapp 19 Meter geschätzt, allerdings sei der Wal ziemlich abgemagert gewesen.)
Die Gemeinde Ölfus hat beschlossen, erst nach dem Wochenende damit zu beginnen, den toten Wal am Strand zu begraben, um Interessierten bis dahin noch die Möglichkeit zu geben, das imposante Tier vor Ort erleben zu können. Die Gemeinde empfiehlt ausdrücklich, beim Golfplatz zu parken und von dort aus zu dem gestrandeten Wal zu spazieren.
Und das tun auch tatsächlich sehr viele, vor allem Isländer - oft ist es ein fröhlicher Ausflug mit der gesammelten Familie, dann wimmelt es hier um den toten Wal herum von Kindern und viele machen auch Fotos, wie die Kinder auf dem Wal hier sitzen. Berührungsängste scheinen die Isländer hier dabei nicht zu kennen!
Teilweise sind aber auch schon richtig organisierte Ausflüge mit Quads über den Strand daraus geworden.
Mein Mann hatte auch beim Golfplatz geparkt und sich den
hvalreki einmal genauer angeschaut.
Erste Sorgen, er könnte richtigen Strandabschnitt mit dem angeschwemmten Wal vielleicht nicht finden, erwiesen sich übrigens als völlig unbegründet - es war reger Betrieb, man musste einfach nur der Menschenmenge nach.
Hier noch mal Fotos vom Kopf des Wales aus - einmal erkennt man gut die Barten im Oberkiefer, auf dem anderen Bild sieht man dafür die Streifen an der Unterseite. Mir war bisher noch nie klar, dass diese Tiere hier absolut akkurat schwarz-weiß gestreift sind!
Gerade die Details finde ich unglaublich faszinierend.
Und hier sieht man, wie mittlerweile die Gedärme herausgekommen sind...
Wenn ich so überlege, dann erinnert es mich ein bisschen an Weißwürste - aber ich glaube, das ist die falsche Assoziation.
Dieses Jahr wurden auf Island bisher bei 34 Vorkommnissen insgesamt schon 83 tote Wale angeschwemmt, die meisten davon waren kleinere Grind- und Schweinswale, es gab aber auch größere Buckelwale und bisher drei große Finnwale, alles drei übrigens männliche Tiere, wie auch hier dieser Wal bei Þorlákshöfn.
Ab Montag soll der tote Wal dann hier am Strand vergraben werden.
Farðu heill!