Reykjavík Pride - diesmal etwas anders...
Da hatte ich mich so gefreut - wir wollten so viel miterleben hier diesen Sommer, vom Kaufmannswochenende letzte Woche über den großen Umzug der Queer-Community dieses Wochenende bis zum Reykjavík-Marathon und der Kulturnacht in 14 Tagen. Endlich mal würden wir da wirklich vor Ort mit dabei sein können!
Tja - und dann gingen seit Mitte Juli die Corona-Zahlen hier wieder hoch und es gibt wieder Beschränkungen im Inland. Die großen Feiern zum Kaufmannswochenende wurden abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben, der Marathon wurde (erst einmal) auf Mitte September verschoben und die Kulturnacht (menningarnótt) fällt komplett aus.
Auch die "hinsegin dagar", die "schwulen Tagen" sind betroffen - auch wenn sie stattfinden können, aber in anderer Form als geplant und gehofft. Im Fernsehen sprach ein Aktivist von den "hinsegin hinsegin dagar", also den "anderen anderen Tagen".
Die "hinsegin dagar" sind in Reykjavík immer Anfang August ca. eine Woche lang, es gibt viele verschiedene Veranstaltungen und Events, überall wehen Regenbogenfahnen (ob beim Präsidenten oder bei der nächsten Tankstelle). In anderen Jahren ist der legendäre Höhepunkt dieser Woche dann die große Schwulenparade am Samstag durch die Stadt, der "Happy Walk" (gleðiganga).
Letztes Jahr 2020 musste die Parade schon wegen Corona ausfallen....
Foto vom Nationalfeiertag 2018 |
...und auch dieses Jahr 2021 wird es keinen großen Umzug geben können. Mit den Corona-Verordnungen, der Versammlungsbeschränkung auf maximal 200 Menschen und natürlich dem Sinn der Corona-Beschränkungen wäre eine Parade nicht vereinbar.
Regnbogagata - Regenbogenstraße
Immerhin können andere, kleinere Events stattfinden - wie z.B. die jährliche Färbung der Straßen.
Legendär sind ja die Regenbogen-Farben auf der Einkaufsstraße Skólavörðustígur, der Fußgängerstraße, die von der "Haupteinkaufsstraße" Laugavegur zur Hallgrímskirkja hoch führt. Ich glaube, zu den hinsegin dagar 2015 wurden die Regenbogen-Farben hier erstmals auf die Straße gemalt und seit ca. 2 Jahren strahlt die Straße dauerhaft in den Regenbogen-Farben.
Foto vom April 2021 |
Zu den hinsegin dagar wird jetzt jedes Jahr eine andere Straße in den Regenbogen-Farben bemalt, allerdings nur temporär.
Dieses Jahr ist es die Ingólfsstræti auf dem Abschnitt zwischen Laugavegur und Hverfisgata. Mit dem feierlichen Einfärben der Straße begannen die hinsegin dagar jetzt am 03.08. um 12 Uhr. Wir waren allerdings erst einen Tag später, am Mittwoch, in Reykjavík, und konnten da noch die frischen Farben auf der Straße bewundern.
Die große Eröffnungs-Gala fand dann am Dienstagabend hier in dem "Gamla Bíó", dem "Alten Kino" der Stadt, statt.
Die Woche steht dieses Jahr unter dem Motto "Að eldast hinsegin" oder auf Englisch "Getting older as a queer person" - "Älter werden als queere Person".
"Wir hören nicht auf, queer zu sein, auch wenn wir älter werden. Was brennt uns am meisten unter den Nägeln und wie werden wie es lösen?"
Hierzu gibt es zahlreiche Veranstaltungen, einen Generationen-Talk, Diskussionrunden, Lesungen.... an verschiedenen Orten in der ganzen Stadt. Viele der Veranstaltungen werden auch über das Internet gestreamt, aufgrund der bestehenden Corona-Beschränkungen.
Rechtliche und Gesellschaftliche Situation von Homosexuellen auf Island
Grundsätzlich ist Island in dieser Hinsicht ein liberales Land.
Während in Deutschland homosexuelle Handlungen zwischen Männern noch bis 1969 generell strafbar waren, dann ein "Schutzalter" von 21 Jahren und 1973 von 18 Jahren eingeführt wurde und erst 1994 das Schutzalter für Homo- und Heterosexuelle gleichermaßen auf 14 bzw. 16 Jahre (je nach Alter des weiteren Beteiligten) angepasst wurde, sind homosexuelle Handlungen in Island bereits seit 1940 legal.
Bis zur grundsätzlichen gesellschaftlichen Akzeptanz dauerte es allerdings noch - so war es z.B. noch in den 70er Jahren ein Skandal, als der bekannte Schauspieler und Musiker Hörður Torfason als einer der ersten Prominenten Islands seit Homosexualität öffentlich erklärte.
Seit 1996 konnten gleichgeschlechtliche Paare auf Island eine eingetragene Partnerschaft eingehen, auch die Stiefkind-Adoption leiblicher Kinder des Partners war ab 1996 erlaubt. Seit 2006 gilt das Adoptionsrecht auch für nicht-leibliche Kinder.
Im Juni 2010 stimmten alle Abgeordneten des isländischen Parlaments (ohne Gegenstimme) für die Öffnung der Ehe, die gesetzliche Definition der Ehe als Verbindung von "Mann und Frau" wurde um die Worte "Mann und Mann" sowie "Frau und Frau" ergänzt. Nach dem Gesetz dürfen auch gleichgeschlechtliche Paare auf Island nunmehr den Bund fürs Leben auch in der lutherischen Staatskirche schließen (auch wenn die Pfarrer nicht zur Durchführung der Trauung verpflichtet sind). Somit haben Homosexuelle hier volle gesetzliche Recht.
Auch die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen auf Island ist, insbesondere im Vergleich zu anderen Ländern, recht gut, und hat in nur wenigen Jahrzehnten sehr deutlich zugenommen, auch wenn es immer noch Vorurteile und Vorbehalte gibt.
Zu denen, deren Antrag auf Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine vollständig gleichberechtigte Ehe am Tag des Inkrafttreten des geänderten Eherechts stattgegeben wurde, gehörten übrigens die damalige isländische Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir und ihre Partnerin, die Autorin und Schauspielerin Jónina Leósdóttir. Bereits seit 2002 lebten sie in einer eingetragenen Partnerschaft, seit 2010 sind sie vollumfänglich ein Ehepaar ("hjón").
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